© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

Dani mit Sahne
Schleswig-Holstein: CDU gewinnt die Landtagswahl / Bleibt Jamaika im Amt?
Christian Schreiber

Wenige Wochen nach ihrer krachenden Wahlpleite im Saarland hat die CDU in Schleswig-Holstein einen triumphalen Wahlsieg eingefahren. Ministerpräsident Daniel Günther, der bisher mit Grünen und FDP in einer Jamaika-Koalition regierte, hätte nun die freie Wahl für ein Zweierbündnis. Umfragen zeigten die Partei noch wenige Tage vor der Wahl bei 36 bis 38 Prozent, am Ende wurden es 43,4 Prozent. Damit verfehlte Günther die absolute Mehrheit der Parlamentssitze um nur einen Sitz. Auch für den Bundesvorsitzenden Friedrich Merz eine Entlastung – zugleich aber droht ihm mit dem erfolgreichen Parteilinken ein möglicher Konkurrent. Zweiter großer Sieger waren die Grünen, die wohl auch von der Popularität des aus Flensburg stammenden Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck profitierten und sich deutlich auf 18,3 Prozent steigerten. 

„Regionales Ereignis mit einem starken Amtsinhaber“

Die Grünen waren die einzige der in Berlin regierenden Ampelparteien, die zulegen konnte. Sie überholten die SPD, die mit 16 Prozent historisch schlecht abschnitt, und pulverisierten die FDP, die vom selbstgesteckten Ziel der Zweistelligkeit mit 6,4 Prozent weit entfernt blieb. Das ist zunächst eine Niederlage für Parteichef Christian Lindner, aber auch für den aus Schleswig-Holstein stammenden Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki. „Wir haben in der Vergangenheit ähnliche Ergebnisse erzielt, wir sind nun irgendwo in der Mitte angekommen. Natürlich haben wir uns mehr gewünscht, aber ich sehe keine Niederlage“, bemühte sich Lindner um Schadensbegrenzung. 

Ob der Christdemokrat Günther mit den arg zerrupften Liberalen regieren wird oder mit den Grünen – oder doch beiden? Die Nachwahlumfragen ergaben eine klare Präferenz für eine Kontinuität. Infratest Dimap zufolge wäre Jamaika das Koalitionsmodell, das bei den Wählern die größten Sympathien unter allen möglichen Bündnisoptionen genießt. Wahrscheinlich müßte Günther den Grünen aufgrund ihres Stimmenanteils diesmal größere – auch personelle – Zugeständnisse machen als der FDP. 

Gleich am Wahlabend kündigte der Ministerpräsident an, zunächst Gespräche mit den Grünen und der FDP, also beiden bisherigen Partnern, über ein mögliches Regierungsbündnis zu führen. Er habe sich schließlich vor der Wahl immer für eine Fortführung des Jamaika-Bündnisses ausgesprochen. Grünen-Spitzenkandidatin Monika Heinold meinte demgegenüber: „Ein Bündnis ist nur dann stabil, wenn alle Partner gebraucht werden.“ Der Ball liege nun bei Günther. Katzenjammer herrschte dagegen bei den Sozialdemokraten. Deren Spitzenkandidat, der ehemalige Grüne Thomas Losse-Müller, genoß sogar in der eigenen Anhängerschaft eine geringere Zustimmung als CDU-Mann und Amtsinhaber Günther, das ergaben die Nachwahlbefragungen von Infratest Dimap und der Forschungsgruppe Wahlen. 

„Hier hat der Effekt durchgeschlagen, den wir jetzt von vielen Landtagswahlen kennen: ein sehr beliebter Amtsinhaber“, versuchte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert die Sache für die eigenen Genossen erträglich zu machen. Jetzt gehe der Blick nach vorne. „Am Wochenende steht Nordrhein-Westfalen an, dort gibt es keinen beliebten Amtsinhaber, sondern ein komplett offenes Rennen zwischen CDU und SPD.“

Waren es die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und das merkwürdige Zögern von Bundeskanzler Olaf Scholz oder doch die immense Popularität des Landesvaters Daniel Günther, die der SPD die Wahlpleite einhandelten? „Es war ein regionales Ereignis mit einem starken Amtsinhaber. Die SPD im Jahr 2022 läßt sich nicht mehr von Rückschlägen beirren“, konstatierte die Parteivorsitzende Saskia Esken bemüht zweckoptimistisch. Eine krachende Niederlage bedeutete das Ergebnis auch für die Landesvorsitzende Serpil Midyatli, die sogar ihr Direktmandat verloren hat. Sie hatte mit dem Anspruch einer „Erneuerung“ den im Verband lange dominierenden Parteilinken Ralf Stegner verdrängt. 

Doch der Wahlabend hatte noch mehr zu bieten. Zum einen überraschte die Tatsache, daß der Südschleswigsche Wählerverband, die Partei der dänischen und friesischen Minderheit, die von der Fünfprozenthürde befreit ist, mit knapp sechs Prozent ein historisch starkes Ergebnis erreichte. 

Zum anderen bot die Alternative für Deutschland Gesprächsstoff. Im chronisch zerstrittenen Landesverband herrschte nach den 4,4 Prozent lähmendes Entsetzen. „Interner Streit wird vom Wähler nicht goutiert“, sagte der sichtlich gezeichnete Spitzenkandidat Jörg Nobis. Erstmals seit ihrem Einzug in einen Landtag vor acht Jahren scheiterte die Partei an der Fünfprozenthürde. Der Schulterschluß mit den Kritikern der Corona-Maßnahmen fruchtete ganz offensichtlich ebensowenig wie widersprüchliche Aussagen zum Ukraine-Krieg. Seit die Landesregierung die pandemiebedingten Einschränkungen zurückgefahren hat, fehlte bei diesem Thema offenbar das Aufregerpotential. Und hinsichtlich des Ukraine-Kriegs unterstützt mittlerweile sogar eine Mehrheit den Kurs der Bundesregierung, auch schwere Waffen zu liefern. Daher dürften manche Wortmeldungen aus der Partei – oder von ihrer Spitze – der AfD an den Urnen im hohen Norden nicht gerade Rückenwind verliehen haben. Ein Plus etwa bei Arbeitern reichte offenbar nicht für den Wiedereinzug in den Kieler Landtag. 

Vor allem an CDU und FDP hat die AfD Wähler verloren. Zudem blieb ein beachtlicher Teil derer, die 2017 noch für sie gestimmt hatten, diesmal zu Hause. „Die Partei hat gerade im Westen viel von ihrem Protestpotential verloren“, meinte der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte.

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Foto: Wahlsieger Daniel Günther (CDU, r.) mit, FDP-Spitzenkandidat Bernd Buchholz: Knapp die absolute Mehrheit verpaßt