© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

Wirtschaftsminister Robert Habeck besucht bedrohte PCK-Raffinerie
Grünes Mitleid
Jörg Fischer

Als die Grünen Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin kürten, begingen sie einen Fehler. Co-Parteichef Robert Habeck hätte mehr Wähler angezogen, und es überrascht nicht, daß der 52jährige in Umfragen der mit Abstand beliebteste Bundespolitiker ist. Er kann zwar – wie viele Parteifreunde – mit Deutschland oder Vaterlandsliebe nichts anfangen, und er glaubt, daß es ein Volk gar nicht gibt. Doch dies interessiert nur eine Minderheit. Mit seinem bedächtigen Auftreten ist Habeck mehrheitsfähig – im Gegensatz zu den meisten Ministerkollegen und Oppositionsführern.

Und daher überrascht es auch nicht, daß beim Besuch des Wirtschaftsministers in der PCK-Raffinerie in Schwedt an der Oder keine Eier geflogen sind, obwohl Habeck unmißverständlich verkündete: „Das Embargo wird kommen!“ Das heißt: Es gibt bald kein russisches Erdöl aus der Drushba-Pipeline mehr. Das dem russischen Rosneft-Konzern gehörende Unternehmen, das daraus Benzin, Diesel, Heizöl, Kerosin und Bitumen für den Straßenbau herstellt und so die Region Berlin-Brandenburg versorgt, muß dann über teurere Umwege mit Öl versorgt werden. Der Produktionsprozeß muß zudem an den veränderten Rohstoff angepaßt werden. All das zerstört die Profitabilität – und das bedroht die Arbeitsplätze der 1.200 PCK-Mitarbeiter, aber auch vieler Zulieferer und Dienstleister. Oder wie es Habeck hintersinnig ausdrückte: „Es kann sein, daß es irgendwie hakt.“

Der grüne Vizekanzler versprach natürlich Finanzhilfen des Bundes für den bedrohten Standort, um die zukünftige Umstellung von Rohöl auf Wasserstoff zu meistern – jene Schimäre der CO2-Phobiker für alle Lebensbereiche, die sich nicht auf Wind- und Solarstrom umstellen lassen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Warum soll ausgerechnet eine Raffinerie aus DDR-Zeiten langfristig mit Steuergeldern erhalten werden? Östlich der Oder in Polen läßt sich billiger und ohne Sabotageakte der irrsinnigen „Letzten Generation“ produzieren. Und geht der Bedarf an Kraftstoffen und Heizöl durch die „Energiewende“ tatsächlich deutschlandweit zurück, stellt sich auch für einige Raffinerien in Süd- und Westdeutschland die Existenzfrage. Da aber dort die Mehrheit der Ampel- und Unionswähler wohnt, ist die Marktbereinigung durch einen PCK-Untergang sogar bundespolitisch opportun.