© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

Aufgeblähte Zahlen
Adler Group: In Luxemburg registrierter Immobilienkonzern in Not / Droht die nächste Großpleite nach Wirecard?
Martin Krüger

Die Warnungen des Wirecard-Jägers Fraser Perring scheinen sich beim Immobilienkonzern Adler Group erneut zu bestätigen. Die Aktien der in Luxemburg registrierten Société Anonyme (SA) fielen an einem Tag um 50 Prozent, nachdem das vorwiegend in Deutschland tätige Unternehmen 2021 einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro (Vorjahresgewinn 191 Millionen Euro) veröffentlichte. Hinzu kam, daß die KPMG-Wirtschaftsprüfer die Bilanz der Firma nicht testierten. Der totale Horror war nur knapp vermieden worden: „Das Unternehmen wäre an die Wand gefahren“, räumte Verwaltungsratschef Stefan Kirsten ein. Denn ohne Testat hätten Anleihegläubiger Papiere im Wert von 4,4 Milliarden Euro kündigen und deren Rückzahlung verlangen können. Laut Kirsten war die Prüfung 5,5 Stunden vor Ablauf der Deadline abgeschlossen.

Die Adler Group entstand 2020 aus der Adler Real Estate, Consus Real Estate und ADO Properties. Die Adler Group gehörten im März noch etwa 30.000 Wohnungen in Berlin, Leipzig und Duisburg. Bis September 2021 waren es noch 69.000 Wohneinheiten im Wert von 13 Milliarden Euro gewesen. Seitdem wurde mehr als die Hälfte zur Schuldentilgung verkauft. Großaktionär der Adler Group ist Vonovia mit 20,5 Prozent. 7,4 Prozent gehören Gerda Caner, der Ehefrau des Investors Cevdet Caner, der aus einer türkisch-österreichischen Familie stammt. Ein weiterer Österreicher, Günther Walcher, hält 6,1 Prozent und die luxemburgischen Mezzanine IX Investors SA weitere 4,78 Prozent. Sogar Blackrock hält rund 1,5 Prozent.

Die Adler-Tochter Consus Real Estate steht in der Kritik, weil sich in Städten wie Köln, Düsseldorf und Berlin Immobilienprojekte (etwa rund um den Steglitzer Kreisel) verzögern oder stillstehen. Der Milliardenverlust von Adler liegt wohl an hohen Abschreibungen für Consus: „Der Vorwurf, daß Adler nicht über die finanziellen Mittel verfügt, die Projektentwicklungen umzusetzen, kann auf Basis der uns in der Sonderuntersuchung zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht widerlegt werden“, warnte KPMG. Der britische Analyst Perring (Viceroy Research) vermutet im Dossier „Bond Villains“, daß die Adler-Zahlen fingiert und aufgebläht sind. Wie bei Wirecard sieht Perring Marktmanipulationen und kann sich einen Totalverlust vorstellen. Bereits im Oktober 2021 warnte er vor einer Überbewertung des Immobilienbestandes. Perrings vermutet eine gezielte Verschleppung von Bauprojekten zwischen Adler und Cevdet Caner. Zweck sei es, aus unprofitablen Projekten auszusteigen, aber mit profitablem Grundstücksverkauf. Denn anders als Adler behauptet, wurden Projekte bereits vor der Corona-Krise verzögert.

Die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) bekommt von Perring auch wieder ihr Fett ab: „Wir sind verblüfft über die Untätigkeit der Regulierungsbehörden. Sie haben die Aussagen des Adler-Managements, wonach es sich um geprüfte Jahresabschlüsse handelt, nicht geklärt.“ Originalton Adler: „Es hat eine Prüfung stattgefunden. Wir haben einen geprüften Abschluß.“ Zugleich wird angekündigt, die „byzantinische Struktur“ der Gruppe in „eine wirtschaftliche Einheit zu überführen“. Seit Wirecard stehen auch Wirtschaftsprüfer und Finanzaufsicht unter Bewährung. Sogar der Finanzausschuß des Bundestages soll sich mit Adler beschäftigen.

Die Branche refinanziert sich über unrealisierte Kursgewinne

Eine halbe Milliarde Euro hat Adler in der Kasse, aber neues Geld muß her. 2023 müssen acht Milliarden Euro an Anleihen refinanziert werden. Das wird jetzt schwierig, da die Ratingagentur S&P den Konzern von B- auf CCC (Junkbond/Schrottanleihen) abgestuft hat. Auch die Kursentwicklung der Aktie wird von der BaFin untersucht. Laut einer Behördensprecherin steht der Verdacht „auf möglichen Insiderhandel“ im Raum. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) denkt bereits über rechtliche Maßnahmen gegen Adler und Manager nach. Man sei mit zwei Prozeßfinanzierern im Gespräch, um Schadensersatzklagen von Anlegern und Anleihekäufern möglich zu machen, erklärte SdK-Vorstand Marc Liebscher.

Ein Anleger hat bereits Klage erheben lassen. Es geht um einen Kursdifferenzschaden. Für die Juristen hat Adler den Kapitalmarkt wiederholt falsch und unvollständig informiert sowie Insiderinformationen verschwiegen. Auch seien Ad-hoc-Pflichten verletzt worden, und es bestünden sogar Prospekthaftungsansprüche. Auch gegen KPMG plant die Sozietät vorzugehen. Für die Branche ist das Adler-Desaster hart. Das Imageproblem der Wohnungskonzerne wird größer. Das zeigen auch die Börsenkurse der Marktteilnehmer. Hinzu kommen steigende Hypothekenzinsen, Baumaterial wird teurer und knapper. Und der Ukraine-Krieg läßt Käufer zögern. Ferner hat sich die Branche über unrealisierte Kursgewinne refinanziert, und dieses Perpetuum mobile könnte jetzt einzelne Geschäftsmodelle scheitern lassen.

Adler darf keinen Flächenbrand auslösen, heißt es. Der frühere Vonovia-Finanzchef Stefan Kirsten steht dem Adler-Verwaltungsrat seit Februar vor. Er wurde von den Banken, Immobilienwirtschaft und Kommunen etabliert. Denn ohne neue Führung keine neuen Geldgeber. Kirsten traut man den Adler-Umbau zu. Zumal er keine Bindungen zu den Akteuren hat und frei ist von Altlasten.

 ir.adler-group.com

Aktienanalysen von Fraser Perring:  viceroyresearch.org

Foto: Modellhaus auf Wackelturm aus Holzspielsteinen: „Wir haben einen geprüften Abschluß, aber eine byzantische Strukur“