© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

„Ausgeprägter Eroberungsanspruch“
Clankriminalität in Deutschland: Die Polizei sieht in der Organisierten Kriminalität eine erhebliche Gefahr. Die Bundesregierung stellt sich dumm
Martina Meckelein / Adam Fox

Sie hassen unser Volk. Sie hassen unsere Kultur, und sie hassen unseren Staat. Sie rauben, erpressen und morden. Arabische, türkische und libanesische Familienclans pressen Deutschland wie eine Zitrone aus. Verschwieg die Politik früher das Problem Clankriminalität, werden heute Razzien, Zugriffe und Prozesse medienwirksam als Erfolg verkauft. Lächerliche Alibi-Demonstrationen eines ohnmächtigen Staates oder knallhartes Durchgreifen einer schlagkräftigen Justiz? Clankriminalität ist Organisierte Kriminalität, und die Araber sehen sich, gerade als Muslime, über dem Westen und dem Christentum stehend. Eine gefährliche Melange aus Rassismus, Machismo und Brutalität, die explosiver ist als Dynamit.

„Bitte stehen Sie besser hinter den Absperrungen“, sagt ein Polizeibeamter, „zu Ihrer eigenen Sicherheit.“ Wie recht er hat. Kurze Zeit später: „Schweine“, brüllt ein schwarzbärtiger Mann und wirft mit voller Wucht im hohen Bogen eine Flasche in Richtung der wartenden Journalisten. Schon Alltäglichkeiten für die Medien, wenn sie über Beerdigungen von Clan-Kriminellen berichten.

Am vergangenen Donnerstag wurde um 11 Uhr in der Werdauer Straße in Berlin-Schöneberg auf dem Neuen Zwölf-Apostel-Friedhof Mohamed R. beerdigt. Der 25jährige Schwerkriminelle war ein Staatenloser. Sechs Tage zuvor war er mit mehreren Männern auf dem Volksfest „Neuköllner Maientage“ im Volkspark Hasenheide vor einer Losbude in Streit geraten. Mohamed R. soll, so die Polizei, „eine Schußwaffe gezogen und seinen Kontrahenten bedroht haben, woraufhin er durch einen noch unbekannten jungen Mann mit einem Messer attackiert worden sein soll“. Der Täter flüchtet. Mohamed R. stirbt wenig später in der Klinik. Die 4. Mordkommission des Landeskriminalamts hat die Ermittlungen übernommen. Doch Zeugen, die etwas beobachtet haben könnten oder Videos und Fotos gemacht haben, melden sich nur äußerst spärlich.

Wer war dieser Mann? Als Kind verhaltensauffällig, drogenabhängig, keinen Schulabschluß. Er wollte Boxer werden, absolvierte mehrere Kämpfe. Seine Strafakte ist lang: gefährliche Körperverletzung, Diebstähle unter anderem mit Waffen, Betrug, Nötigung, Fahren ohne Führerschein etc. Urteil: Drei Jahre und zehn Monate. Nach der Haft sollte er in den Libanon ausgewiesen werden, berichtet die Bild-Zeitung. Ob das durchgeführt wurde und er wieder einreiste oder ob eine Abschiebung niemals stattfand? Darüber geben im Moment die Akten keine Auskunft.

Polizei hat den Verfolgungsdruck für die Clans spürbar erhöht

Ähnlich kriminell ist sein Bruder Fayez (26). Der wurde, so berichtet ebenfalls die Bild, im Sommer 2021 wegen gefährlicher Körperverletzung im Zusammenhang mit einer Schießerei im September 2020 in Schöneberg zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Er wollte der Beisetzung beiwohnen, ein Richter soll das Gesuch abgelehnt haben – zu hohe Fluchtgefahr, so das Blatt. Für die Berliner Polizei ergibt sich im Moment das Problem, daß Mohamed R.s Familie auf eigene Faust ermitteln soll. Seit Tagen sollen Familienangehörige durch den Berliner Gräfekiez patrouillieren, so die Boulevardzeitung B.Z., und Anwohnern Fotos des mutmaßlichen Messerstechers zeigen.

Am vergangenen Donnerstag sicherten nun 170 Polizisten diesen seltsamen Trauerzug von rund 800 Mann. Beerdigungen unter Polizeischutz sind in Mohameds Familie nichts Ungewöhnliches. Schon sein Bruder Nidal (36) wurde ermordet – erschossen am 9. September 2018 am hellichten Tag auf dem Tempelhofer Feld vor den Augen seiner Familie. Auf seinem letzten Gang begleiteten ihn 2.000 Trauergäste. Die Hautevolee der Clan-Gesellschaft wie Mahmoud Al-Zein, Issa Remmo und Arafat Abou-Chaker. Eine Anfrage des SPD-Innenexperten Tom Schreiber beantwortete der Senat folgendermaßen: 128 Anwesende konnten damals zweifelsfrei der Organisierten Kriminalität zugerechnet werden. Davon haben 101 Clan-Hintergrund, und 27 sind dem Rocker-Milieu zuzurechnen. 18 Personen stammten damals aus der islamistischen Szene.

Auch am vergangenen Donnerstag waren die Clan-Größen Ibrahim Al-Zein und Issa Remmo mit dabei. Gemeinsam verließen sie um 12.13 Uhr die Beerdigung, machten ein Schaulaufen vor den wartenden Fotografen. Remmo rief ihnen, fast altväterlich, zu: „Habt ihr nichts Besseres zu tun?“ Doch was soll diese Demonstration der Gemeinsamkeit? Haben die Clans Angst bekommen? Immerhin scheint der Verfolgungsdruck sich erhöht zu haben. Nur ein paar Beispiele aus diesem Jahr:

So durchsuchten am 25. Januar Beamte in Leverkusen jeweils drei Wohnungen und Geschäftsräume der Roma-Großfamilie Goman. Anlaß: Vier Clan-Mitglieder stehen im Verdacht, bei Corona-Soforthilfen betrogen zu haben. Insgesamt soll das Quartett nach Angaben der Polizei im März und April 2020 Corona-Soforthilfen beantragt haben, wovon dann 27.000 Euro ausgezahlt worden sind. Die Beamten konnten vor Ort eine entwendete Luxus-Uhr und Marihuana beschlagnahmen.

1. März in Berlin: 130 Beamte führen in den Stadtteilen Schöneberg, Kreuzberg, Neukölln und Gesundbrunnen mehrere Razzien durch, mit dabei: das Mobile Einsatzkommando der Polizei. Sie verhaften fünf Männer (21 bis 27) einer arabischen Großfamilie. Der Vorwurf: Entführung und Erpressung. Ein Mann soll Opfer des Quintetts und von ihnen entführt und mißhandelt worden sein.

13. März: Schrottplatz-Razzia gegen eine Großfamilie in Bochum. Der Verdacht: Hehlerei, Geldwäsche, illegale Abfallentsorgung und illegaler Schrotthandel. Fünf Haftbefehle werden vollstreckt, dazu fünf Festnahmen.

30. März: Razzia in Berlin und Oranienburg. Beamte stellen 38 Kilogramm Drogen, davon 25 Kilo Amphetamin, einen fünfstelligen Geldbetrag und eine Luxuskarosse sicher. Drei Frauen und vier Männer (21 bis 28) werden festgenommen.

4. Mai: Duisburg, 20 Schüsse am Hamborner Altmarkt. Krieg zwischen 100 Rockern. Vier Menschen erleiden schwere Schußverletzungen – vor allem an Armen und Beinen. Hintergrund: Ein Hells-Angels-Rocker libanesischer Herkunft war aus dem Club geflogen, weil er einen Kumpanen bei der Polizei verpfiffen hatte.

Doch wie konnte es dazu kommen, daß über Jahrzehnte die Politik und auch die Polizei die Entwicklungen der Clankriminalität nicht wahrnahmen? In der Zeitschrift Die Kriminalpolizei der Gewerkschaft der Polizei erschien im September 2019 ein Artikel mit der Überschrift „Clankriminalität in Deutschland“. Die drei Autoren kommen zu dem Ergebnis: „Clankriminalität konnte aus unterschiedlichen Gründen in Deutschland über Jahrzehnte zu einem großen Problem anwachsen. Dies ist historisch auf Fehler in der Integrationspolitik zurückzuführen, aber auch in einem falschen staatlichen Umgang mit kriminellen Personen arabischer Großfamilien.“ Das Bild, das in dieser „Bestandsaufnahme“ skizziert wird, ist alarmierend: „Es handelt sich um Organisierte Kriminalität mit einem ausgeprägten Eroberungsanspruch. Somit stellen diese Strukturen eine erhebliche Gefahr für die Gesellschaft, den Staat und den grundlegenden Rechtsfrieden dar.“

Eine Broschüre der Polizei Nordrhein-Westfalen soll Ansätze zur Bekämpfung von arabischen Familienclans liefern. Darin heißt es: „Sie betrachten sich als Elite. Diese Sicht basiert sowohl auf vorislamischer Zeit, aber auch auf Grundsätzen des sunnitischen Islam, mit dem eine Aufteilung der Welt in Gläubige und Ungläubige erfolgt. Grundsätze zum Schutz, Erhalt und Ausbau der eigenen Gemeinde (umma) etc. sind dabei gängig für die Legitimation von Kriminalität und Gewalt.“

Erstmals im Jahr 2018 erhob das Bundeskriminalamt überhaupt Daten „zur Kriminalität von Mitgliedern ethnisch abgeschotteter Subkulturen“, eben sogenannter Clankriminalität. Mit 29,3 Prozent Anteil wurde dieser Bereich im Umfeld der Organisierten Kriminalität in Deutschland im Jahr 2020 vorrangig von libanesisch dominierten Gruppen bestimmt, berichtet das Bundesamt für Statistik. „Eine häufig vertretene Volksgruppe ist dabei die Mhallamiye, eine arabischsprachige Volksgruppe aus der Türkei und dem Libanon. Zu den bekanntesten Clans dieser Herkunft zählen der Miri-Clan und der Remmo-Clan.“ Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Bernd Baumann von der AfD-Fraktion im Bundestag (Drucksache 20/1279) ergeben sich folgende Nationalitäten der Tatverdächtigen aus 41 OK-Verfahren im Jahr 2020, die der Clankriminalität zuzuordnen sind: zwei Ägypter, 15 Algerier, zwei Guineer, 14 Iraker, drei Iraner, ein Jordanier, ein Kuwaiti, 201 Libanesen, ein Libyer, acht Marokkaner, ein Sudanese, 69 Syrer, sechs Tunesier, 90 Türken und ein Tatverdächtiger aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Überfall auf Berliner Pokerturnier war ein Aufwacherlebnis

Clankriminalität wurde erstmals nach einem spektakulären Überfall auf ein Pokerspielturnier im Berliner Grand-Hyatt-Hotel am 6. März 2010 in der Gesellschafft breit diskutiert. Jihad C., 19 Jahre alt, Vedat S., 21, Ahmat El-A., 20, Mustafa U., 20, überfielen das Turnier, raubten mit Pistole und Machete bewaffnet 500.000 Euro. Ein unbewaffneter Sicherheitsmitarbeiter, der sich den Räubern in den Weg stellte, wurde verletzt. Ein Hotellehrling entdeckte eine im Tumult von den Tätern verlorene Tasche, so blieben 250.000 Euro sichergestellt. Ein Hotelgast stellte ein Handyvideo ins Internet. Das wurde weltweit angeklickt – Clankriminalität war nicht mehr zu verschweigen.

Am 27. März 2017 raubten Unbekannte aus dem Berliner Bode-Museum die zwei Zentner schwere „Big Maple Leafe“, eine Münze aus purem Gold. Wert damals: 3,3 Millionen Euro. Die Polizei ermittelte die Täter. Angehörige der schon polizeibekannten Remmo-Familie. Urteil: 4,5 Jahre Haft und Zahlung des Wertersatzes. Die Münze blieb verschollen, sie wurde vermutlich eingeschmolzen. Bis in die Klatschspalten schaffte es Arafat Abou-Chaker. Der Berliner mit libanesischen Wurzeln wurde 2008 Manager des Rappers Bushido. Die Trennung der beiden landete vor Gericht, Arafat wurde wegen Körperverletzung und Bedrohung in der Berufung zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine Verwandten sind Intensivtäter, Zuhälter oder Drahtzieher oder wie Mohammed Abou-Chaker Drahtzieher des Poker-Raubs.

Als zündende Idee zur Bekämpfung der Clankriminalität wurde im Sommer 2019 das Kooperationsmodell „Bund-Länder-Initiative zur Bekämpfung der Clankriminalität“ (Blick) eingeführt. Damit sollen „die Voraussetzungen für eine Intensivierung der länderübergreifenden Zusammenarbeit und die Verfolgung eines bundesweit einheitlichen Vorgehens im Sinne eines behördenübergreifenden, ganzheitlichen Ansatzes zur Bekämpfung der Clankriminalität geschaffen“ werden, formuliert es die Bundesregierung in der Antwort der erwähnten kleinen Anfrage. Doch nicht alle Bundesländer und Behörden sind angeschlossen. Nur die hauptsächlich von der Clankriminalität betroffenen Länder Berlin, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und das Zollkriminalamt. Von den 29 Fragen, die die AfD allerdings stellte, beantwortete die Regierung kaum eine inhaltlich. Da ist dann von „liegen keine Erkenntnisse vor“, „bislang nicht festgestellt“ oder „belastbare Einschätzungen nicht möglich“ die Rede.

Zum Glück ist die Polizei auf Zack: Am Dienstag klickten bei Jihad R. (22) die Handschellen. Dabei wollte der nur als Besucher am Juwelenraub-Prozeß in Dresden teilnehmen. Doch Fahnder hatten ihn als weiteren Tatverdächtigen im Zusammenhang mit dem Einbruchsdiebstahl im Grünen Gewölbe (JF 48/20) erkannt.

Foto: Clan-Chef Issa Remmo (M. l.) und Clan-Größe Ibrahim Al-Zein (M. r., mit Sonnenbrille) bei Beerdigung in Berlin: „Sie betrachten sich als Elite“