© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

CD-Kritik: Edvard Grieg, Ragnhild Hemsing
Vom Wahr-Lügen
Jens Knorr

Die Musik der von Edvard Grieg zusammengestellten Orchestersuiten aus „Peer Gynt“, bis zum Erbrechen lieblos heruntergefiedelt, in fürchterlichen Bearbeitungen vergewaltigt, in unzähligen Werbespots abgenutzt – diesmal klingt sie von allem romantisierendem Schlamm befreit, rein und klar, wie sie einmal gemeint gewesen sein könnte.

Griegs Bühnenmusik zu Ibsens Dramatischem Gedicht „Peer Gynt“ op. 23 hat Tormod Tvete Vik für Hardangerfiedel, Violine und Streichorchester arrangiert. Die Trondheim Solister spielen sie kammermusikalisch durchhörbar, ganz ohne Streichschmalz, wozu ein aufgeschwemmter Orchestersatz sonst oft verleitete. Daß sie aber auch ordentlich Krach schlagen können, beweisen sie in der Musik zur „Halle des Bergkönigs“.

Wie es sich für eine klassische Violinistin gehört, setzt Ragnhild Hemsing die Konzertvioline bitter revoltierend in Ingrids Klage ein, innig in den beiden Liedern Solveigs, kapriziös in Anitras Tanz. Hemsing weiß, daß die Töne der Eröffnungsphrase der berühmten „Morgenstimmung“ genau den Resonanzsaiten der Hardangerfiedel entsprechen. Mit diesen Tönen leitet sie ihr wunderschönes Album ein, spielt Halling und Springar, als improvisiere und spiele sie aus dem Moment heraus zum Tanze auf, wie es sich für eine Volksmusikerin gehört.

Solch zärtliche Interpretation, kantig und dramatisch auch, bringt alle touristischen Norwegen-Bildchen zum Einstürzen wie alle Welt der falschen Trolle. Diese Musik spielt innen. Peer lügt, aber Griegs Musik sagt wahr.

Edvard Grieg Peer Gynt Berlin Classics 2022  Berlin-classics-music.com  www.warnerclassics.com  www.mdlg.net