© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Beamtenirrsinn des Monats: In Berlin sollten angehende Lehrer in einem Fragebogen der Senatsbildungsverwaltung mitteilen, welche Tätowierungen sie an welcher Körperstelle haben. Dazu sollten die Bewerber konkrete Angaben machen zu Größe (Länge und Breite in Zentimeter), Art, Inhalt und Bedeutung der Tattoos. Zudem wurden sie aufgefordert, „zur genauen Prüfung“ der Tätowierungen von jedem Motiv ein Foto mitzuschicken. Die Richtigkeit der Angaben wäre bei der amtsärztlichen Untersuchung überprüft worden. Inzwischen ist der Fragebogen nach Protesten unter anderem der Lehrergewerkschaft zwar zurückgezogen worden. Allein aber daß es diesen absolut übergriffigen staatlichen Schnüffelversuch überhaupt gegeben hat, wirft abermals ein bezeichnend fahles Licht auf „das freieste Land, das auf deutschem Boden jemals existiert hat“.


„Dresden hat mir große Freude gemacht“, schreibt Johann Wolfgang von Goethe 1791 an seinen engen Freund Carl Ludwig von Knebel „und meine Lust, an Kunst zu denken, wieder belebt. Es ist ein unglaublicher Schatz aller Art an diesem schönen Orte.“ Tatsächlich ist Dresden, das deutsche Florenz (Herder), seit jeher eine Reise wert. Zu den prächtigsten historischen Stadtansichten gehören die Veduten des venezianischen Malers und Goethe-Zeitgenossen Bernardo Bellotto, genannt Canaletto. Anläßlich seines 300. Geburtstages dieses Jahr zeigt die Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister ab dem 21. Mai die monographische Ausstellung „Zauber des Realen. Bernardo Bellotto am sächsischen Hof“. Die Retrospektive will die unterschiedlichen Schaffensphasen des Künstlers vorstellen. „Mit 36 Gemälden Bellottos bewahren wir den weltweit größten Bestand“, zitiert das Magazin Kulturverführer Sachsen 2022 den Galeriedirektor Stephan Kolja. Ergänzt wird die Schau mit hochkarätigen Leihgaben unter anderem aus Warschau, wo Canaletto nach seinen Dresdner Jahren lebte und 1780 auch starb. Die Ausstellung ist bis zum 28. August zu sehen.

Die Felsenbühne Rathen in der Sächsischen Schweiz bietet zur Wiedereröffnung vier Premieren.

Von Dresden bis zum Nationalpark Sächsische Schweiz ist es nur ein Katzensprung. Dort liegt inmitten dieser wildromantischen Landschaft die Felsenbühne Rathen, die nach einer zweijährigen Umbauphase in diesem Sommer als Festspielort wiedereröffnet. Die Naturbühne vor der malerischen Kulisse der Rathenfelsen lädt mit ihrem abwechslungsreichen Programm, je nach Geschmack, geradewegs zu einem Kurzurlaub in dieser Region ein. Auf dem Spielplan stehen vier Premieren: Leonard Bernsteins Musical „West Side Story“ (24. Juni), „Das kalte Herz“ (15. Juli) nach einem Märchen von Wilhelm Hauff, das Theaterstück „Jedermann“, Hugo von Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ (4. August), sowie Richard Wagners romantische Oper „Der fliegende Holländer“ (21. August), inszeniert von der Regisseurin Anne Schumacher. Den Ausklang am 3. September bildet Carl Orffs „Carmina Burana“.


„Der Zauber des Lebens ergibt sich auch daraus, daß es endet.“ (Roger Köppel, Chefredakteur der Schweizer Weltwoche, in seinem Editorial am 5. Mai 2022)