© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

Möglichkeiten der Schiefer- und Flözgasgewinnung in Deutschland mittels unkonventioneller Methoden
Mit Vernunft gegen das Elend
Michael Limburg

Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und verstärkt durch den Putinschen Gas-Lieferstopp für Polen und Bulgarien ist augenfällig geworden, daß auch Deutschland über die Maßen von Rußlands Lieferungen fossiler Rohstoffe abhängig ist. Gleichzeitig wächst der Druck auf die deutsche Regierung, schnellstmöglich diese Lieferbeziehungen zu beenden. Aktuell werden 50 Prozent der Steinkohle, 35 Prozent des Erdöls und 58 Prozent des Erdgases aus Rußland importiert. Von den 102 Milliarden Kubikmetern Erdgas, die Deutschland im Jahr verbraucht, stammen 55 Milliarden Kubikmeter aus Rußland. Der „Ausstieg aus Kohle und Kernenergie würde etwa 30 bis 50 Milliarden Kubikmeter zusätzlich erfordern. Wo sollen 100 Milliarden Kubikmeter herkommen?“ fragt der Energie-Experte Fritz Vahrenholt. Das sei mehr als das Aufkommen der USA an Flüssigerdgas (LNG) und entspreche der gesamten Menge des Emirats Katar.

Überdies würde ein Importstopp, so er denn beschlossen würde, die deutsche Industrie aufs schwerste treffen. Der BASF-Chef Brudermüller sieht einen Ersatz des russischen Erdgases realistischerweise erst in 4, 5 Jahren und warnt vor beispiellosen wirtschaftlichen Schäden: „Wollen wir sehenden Auges unsere gesamte Volkswirtschaft zerstören? Das, was wir über Jahrzehnte hinweg aufgebaut haben? Ich glaube, ein solches Experiment wäre unverantwortlich.“

Aus all dem gesagten muß gefolgert werden, daß sämtliche eigene Energieressourcen, auf die Deutschland Zugriff hat oder haben könnte, auf schnellstmögliche Nutzung hin untersucht werden müssen und im positiven Fall ihre Nutzung unverzüglich in Angriff zu nehmen ist. Die Folgen, die sich einstellen würden, sollte Deutschland in dieser Hinsicht versagen, sind nicht auszudenken. Es verfügt nach wie vor über erhebliche eigene Energiereserven: überwiegend Braunkohle und Erdgas in großen Mengen, sowie – wenn auch in geringeren Mengen – Erdöl.

Deutschland fördert nach wie vor, wenn auch mit abnehmender Tendenz, Erdgas nach konventionellen Methoden. Die geförderte Menge liegt aktuell bei ca. 5,2 Milliarden Kubikmetern, deckt also rund fünf Prozent des Bedarfs an Erdgas. Dessen Anteil ließe sich drastisch erhöhen, wenn man die bekannte Technik, bessere Fließwege für das extrahierte Gas zu schaffen, einsetzte. Damit ließen sich die bisher gewonnenen Mengen verdoppeln oder verdreifachen. Und dies in nur wenigen Wochen. Noch besser ist die Situation bei der Gewinnung von Erdgas mittels unkonventioneller Methoden. Gemäß einer Untersuchung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gibt es hierzulande Vorräte bis zu 2.340 Milliarden Kubikmeter. Hinzu kämen noch die förderbaren Mengen aus Kohleflözen, von denen bis zu 450 Milliarden Kubikmeter förderbar wären. Diese Mengen würden unseren Bedarf für etwa 25 Jahre decken. Und das wichtigste daran ist, die Förderung könnte innerhalb von nur sechs bis zwölf Monaten beginnen und sehr schnell gesteigert werden, die Erhöhung der Förderung aus konventionellen Quellen sogar innerhalb weniger Wochen.

Zusammenfassend ist also festzustellen, daß Deutschland ohne große Schwierigkeiten mit erprobten Methoden und zu vergleichsweise geringen Kosten seinen russischen Anteil an Erdgaslieferungen ersetzen könnte. Es könnte damit innerhalb weniger Wochen beginnen und ihn dann Schritt für Schritt auf Null bringen. Daß das nicht schon bisher geschehen ist, liegt am indirekten Frackingverbot, welches die Merkel-Regierung auf Druck von Grünen und Umweltverbänden im Jahre 2017 erlassen hatte, sowie am hinhaltenden Widerstand der grünen Szene einschließlich der Bundesregierung, die den Einsatz dieser Techniken nicht zulassen möchte. Die Begründung dafür ist immer dieselbe: Fracking sei zu gefährlich. Obwohl das von denselben Leuten favorisierte LNG aus den USA zum größten Teil aus gefracktem Erdgas besteht.

Die Mythen, die über die Gefahren aus Fracking kursieren, lassen sich zu fünf Hauptpunkten zusammenfassen:

1. Die Gewinnung von Schiefergas verschmutzt das        

    Grundwasser.

2. Es wird eine erhebliche Menge Wasser verbraucht.

3. Es werden Hunderte giftiger Chemikalien verwendet.

4. Fracking führt zu zerstörerischen Erdbeben.

5. Fracking setzt mehr Methan als andere Formen der

    Gaserzeugung frei.

Diese Behauptungen sind leicht zu widerlegen. Sehen wir sie uns genauer an:

Zu 1.) Die Gewinnung von Schiefergas verschmutzt das Grundwasser.

Diese Aussage ist falsch. Grundwasser wird in Tiefen von 20 bis 50 Metern, gelegentlich auch bis zu maximal 400 Metern Tiefe gewonnen. Die Erdgasförderung per Fracking beginnt aber erst in Tiefen ab 1.000 Metern. Üblich sind 3.000 bis 5.000 Meter. Stößt die Bohrung durch Grundwasser führende Schichten, so geschieht diese mittels gepanzerter und überwachter Rohre, die ein Austreten des Wassers verhindern. Weil auch der eigentliche Druckstoß nur wenige Stunden anhält, ist eine Kontamination praktisch ausgeschlossen.

Bliebe noch die Gefahr, daß während der Arbeiten ein Rohr beschädigt würde und dadurch Frackwasser austreten könnte. Dieses Risiko wird dadurch minimiert, daß das Bohrloch abschnittsweise mit Stahlrohren abgedichtet wird. Der Raum zwischen den Rohren und dem Bohrloch und der Wand des Bohrlochs und der Außenseite des äußersten Rohres wird zusätzlich noch mit Zement verfüllt. Daher ist nach Einschätzung der BGR ein solches Austreten von Frac-Flüssigkeit „durch eine ordnungsgemäße wasser- und gasdichte Ausführung der Bohrung nach menschlichem Ermessen auszuschließen“.

Eine andere potentielle Gefahr wäre das Hochwandern des Frackwassers aus der Fracktiefe. Dagegen wirkte zunächst die Schwerkraft, vielmehr aber noch die Tatsache, daß Frackgas eben nur dort gefunden wird, wo absolut dichte Deckschichten dessen Ausgasen in der Vergangenheit verhinderten. Diese für Gas absolut dichten Deckschichten verhindern auch das Aufsteigen des Frackwassers aus der Fracktiefe. Das Umweltbundesamt konstruiert aber für diesen Fall die Möglichkeit, daß die beim Fracken erzeugten Risse Verbindungen zu sogenannten Störungen (das sind Unterbrechungen der sonst dichten Schicht) im Deckschichtenbereich erzeugen könnten und „bei entsprechenden Druck- und Durchlässigkeitsverhältnissen im Gesteinskörper streckenweise bevorzugte Aufstiegsbahnen für Gase und Fluide darstellen“.

Um das zu überprüfen, hat die BGR 2012 eigens dafür eine Extrem-Simulation unternommen und diesen Fall untersucht. Doch weder in horizontaler noch vertikaler Richtung waren die so erzeugten Risse lang genug, daß Grundwasser führende Schichten mit den tausend Meter tief liegenden Schichten in Kontakt gekommen wären. Und folgert daher: Durch genaue Standortuntersuchungen zur Modellierung der Rißausbreitung könne „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden“, daß Frac-Flüssigkeiten unkontrolliert in angrenzende Formationen entweichen.

Zu 2.) Es wird eine große Menge Wasser verbraucht.

Tatsache ist, daß die Frackflüssigkeit zu etwa 98 bis 99 Prozent aus Wasser besteht. Das Online-Lexion Wikipedia benennt im Artikel „Hydraulic Fracturing“ dafür einen Wasserverbrauch von „üblicherweise“ zehn Millionen Litern, die benötigt würden. Das sind 10.000 Kubikmeter. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen (LBEG) nennt hingegen 100 bis 700 Kubikmeter. Das alles klingt nach viel, ist aber auch nur ein Würfel mit rund 21 Metern Kantenlänge. Hat das Wasser seine Schuldigkeit getan, fließt es zum größten Teil zu seinem Ausgangspunkt zurück beziehungsweise wird von dort abgepumpt und entweder aufbereitet und neu konditioniert und wieder verwendet, oder vor Ort aufbereitet oder woanders kontrolliert verbracht und dort aufbereitet. Nur ein kleinerer Teil bis maximal zur Hälfte verbleibt im Bohrloch.

Zu 3.) Es werden Hunderte giftiger Chemikalien verwendet.

Tatsache ist, daß eine Reihe von Chemikalien nötig ist. Das LBEG spricht je nach Bohrlochanforderungen von zehn bis 30, um dem Frackprozeß die erforderliche Wirksamkeit zu verleihen. Die Aufgaben verteilen sich in Erhöhung der Gleitfähigkeit, Unterdrückung von Bakterien, Ablagerungshemmern etc. Nicht alle Inhaltsstoffe gelangen gleichzeitig zum Einsatz, und keiner davon ist nach den Vorgaben des Wasserrechtes genehmigungspflichtig.

Ein Großteil der eingesetzten Chemikalien – eigentlich fast alle – werden für ähnliche Aufgaben auch täglich in unseren Haushalten, für unsere Lebensmittel und viele andere Bereiche des täglichen Lebens eingesetzt. Zudem macht die große Verdünnung den Umgang mit diesen Stoffen leicht und schließt eine Gefährdung für Mensch und Umwelt praktisch aus.

Zu 4.) Fracking führt zu zerstörerischen Erdbeben.

Auch diese Behauptung ist falsch. Doch da der Aufbau des Drucks im Frackgebiet und das Entleeren der Gasspeicher geologische Eingriffe sind, welche durchaus auch zum Auf- oder Abbau seismischer Spannungen führen können, sind sich entladende seismische Spannungen zu erwarten. Bei so gut wie allen bisher beobachteten Bohrungen gab es gelegentlich meßbare seismische Erschütterungen an der Oberfläche, jedoch blieben diese fast immer unmerklich. Das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) schreibt dazu auf seiner Schiefergasplattform: „In den allermeisten Fällen ist die Stärke der seismischen Ereignisse sehr gering und liegt weit unter der Grenze der Wahrnehmbarkeit von Menschen.“

Zu 5.) Fracking setzt mehr Methan als andere Formen der Gaserzeugung frei.

Die Hauptangst der Menschen vor dem Fracking wurde durch ein Video erzeugt und beflügelt: „Gasland“ des US-Amerikaners Josh Fox von 2010. Dieser erregte damit viel Aufmerksamkeit und gab den Umweltorganisationen das Mittel in die Hand – letztlich nur in Europa erfolgreich –, gegen Fracking Stimmung zu machen. Viele Experten überprüften den Sachverhalt und fanden heraus: Ja, dort kam es, wie im Film gezeigt, zur Methangasentweichung sogar aus Wasserhähnen – doch hatte das mit dem Fracking als solchem nichts zu tun. Das dort gewonnene und verbrauchte Wasser wurde vom Versorger durch aufgelassene Kohleflöze geleitet, wodurch es – schon seit langem – zur Methananreicherung kam.

Andere behaupten, daß die Methanemissionen beim Fracking – Erdgas und Methan sind chemisch fast dasselbe – den Methangehalt der Atmosphäre im Jahre 2000 von 1.775 ppb (parts per billion, also drei Größenordnungen weniger als das Spurengas CO2) merklich angehoben hätten. So stieg nach Angaben der NOAA dieser Wert im Jahre 2021 auf 1.875 ppb an, also um 100 ppb. Das wäre eigentlich nicht berichtenswert, aber da das IPCC dem Methan eine um 20fach höhere Treibhauswirkung zuordnet als dem CO2, läßt sich daraus Kapital schlagen. Also suchten und fanden „dienende Forscher“ einmal wieder den rauchenden Colt im Fracking und schoben den Anstieg der Methankonzentration dem Fracking zu. Andere wollten die bei jeder Fernweiterleitung immer entstehenden Leckagen nutzen, um dem Saubermann-Image des Erdgases in bezug auf dessen CO2-Emissionen bei der Verbrennung einen Schlag zu versetzen. Die seien nämlich viel höher als bisher bekannt.

Doch das war selbst der sonst so kritischen US-Umweltbehörde EPA zuviel. In einem aktuellen Statement von diesem Jahr folgerte sie, daß Erdgas „bei der Erzeugung von Wärme oder Strom weit weniger Treibhausgasemissionen erzeugt als Kohle, unabhängig vom betrachteten Zeitrahmen“.

Fazit: Es stellt sich daher die Frage, ob und wie wir unsere Energieversorgung sichern können. Folgen wir den „Klimaschutz“-Vorgaben der Bundesregierung, so ist das Elend programmiert – und zwar schneller als geplant. Folgen wir der Vernunft, dann beginnen wir mit Förderung des Schiefergases: Jetzt!






Michael Limburg, Jahrgang 1949, ist Diplomingenieur für Elektrotechnik. Er ist Vizepräsident des Europäischen Instituts für Klima und Energie (EIKE).

 https://eike-klima-energie.eu

Foto: Protestschilder vor der russischen Botschaft in Berlin: Ein Erdgas-Importstopp, so er denn beschlossen würde, würde die deutsche Industrie aufs schwerste treffen