© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

Claudia Roth, Rio Reiser und der atavistische Drang zum Zerschlagen
Bundesdeutsche Byzantiner
(wm)

Byzantinismus ist ein veraltetes Wort für „Kriecherei, unwürdige Schmeichelei“. Es findet sich heute häufiger noch in Biographien Wilhelms II., die das Verhältnis seiner Entourage zu ihm gern „byzantinisch“ nennen, um den Herrscher zu schmähen. Mit dem „besten Deutschland, das es je gab“ (Frank-Walter Steinmeier), kann das Reich von 1871 in puncto Byzantinismus jedenfalls nicht mithalten, wie jetzt die Zeitschrift für Ideengeschichte (2/2022) eindrucksvoll beweist. Dort widmet Hermann Parzinger, Prähistoriker und Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, seinen über die gleichnamige Punkband reflektierenden Essay „Ton Steine Scherben“ formvollendet servil der Grünen-Politikerin „Claudia Roth zu ihren ersten hundert Tagen im Amt als Kulturstaatsministerin“. Und flötet, daß die Ex-Managerin dieser 1980er-Combo, deren Songs vom „atavistischen Drang zum Zerschlagen“, der „Freude an der Weltveränderung“ künden, damals in jenen Kreis trat, der sich „nach atemberaubender Karriere“ nun im Ministeramt schließe. Den Tiefpunkt der Schleimerei überläßt Parzinger jedoch Sandra Richter vom Deutschen Literaturarchiv Marbach, die „Marsch“ auf „Arsch“ reimende Notizen aus dem dort verwahrten Nachlaß des Bandleaders Rio Reiser mit scheuster Ehrfurcht deutet. 


 www.chbeck.de