© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/22 / 13. Mai 2022

Leserbriefe

Zu: „Gezielte Provokationen“ von Michael Wiesberg, JF 19/22

Ablenkung von der Interventionspflicht

Dieser Kommentar enttäuscht mich. Der Autor blendet völlig den Vertrag von 1994 aus, als die Russen die Amerikaner und Engländer als Garantiemächte für die Ukraine ins Boot holten oder wenigstens sie nicht hinausbeförderten. Damit und seitdem sind beide „Mächte“ mit der Ukraine befaßt, und sie haben genauso versagt wie 1939 England und Frankreich. Schon 2014 hätten sie militärisch eingreifen müssen. Das ganze Gerede des Kommentators geht also an der wirklichen Sache völlig vorbei. Die aktuellen Erklärungen von Politikern der beiden Länder sollen von der Interventionspflicht ablenken und sind natürlich weitgehend widersprüchlich. Beide Länder haben sich davor gedrückt, die Ukraine zu schützen, vermutlich aus Angst vor einem Atomkrieg. Das hätten sie sich 1994 also besser überlegen müssen. So stehen sie als Versager da. Viel naheliegender ist da eine ganz andere Frage: War der Vertrag von Budapest nur eine Verpflichtung, die Ukraine nicht mit Kernwaffen anzugreifen?

Prof. Dr. Herbert Stoyan, Niederndorf




Vollumfängliche Zustimmung

Dieser Analyse über die Ursachen, Schlußfolgerung und den Verlauf des Ukraine-Krieges durch die agressive Politik der USA ist vollumfänglich zuzustimmen. Denn es wäre US-Präsident Biden durchaus möglich gewesen, diesen unsäglichen Krieg zu verhindern. Bevor der Krieg begann, wurde noch ein letztes Gespräch zwischen Putin und Biden geführt, indem bei gutem Willen auf beiden Seiten eine Eskalation hätte verhindert werden können. Aber nein, der eine waffenstarrend, der andere domokratie-überheblich, steuerten beide bewußt auf diesen Waffengang zu. Die in ihrer Analyse hierzu gegebenen weiteren Aussagen der verschiedenen Quellen bestätigen meinen Eindruck der bewußten Herbeiführung dieses Krieges von beiden Seiten. Es ist eine Schande, was Politiker mit den Menschen machen, denn Tod, Zerstörung und Elend bezahlt jetzt die Bevölkerung der Ukraine. Hieran trägt somit die USA einen großen Anteil Schuld mit für dieses Unglück.

Volker Krause, Arnsberg




Eine unglaubliche Leerstelle

Zu den gezielten Provokationen gehört meines Erachtens das jüngste Interview des russischen Außenministers Sergej Lawrow, das selstamerweise weder hier noch in anderen JF-Artikeln aufgegriffen wird. So hatte Lawrow fabuliert, daß auch Hitler jüdisches Blut besessen habe und daß ohnehin die Juden selbst oft die größten Antisemiten seien. Um schließlich eine Nähe zwischen Hitler und Selensky zu insinuieren.

Der Urheber dieser brutalen Legende ist allerdings nicht Lawrow, sondern Hans Frank. Dieser war Hitlers Anwalt, sein Stellvertreter im besetzten Polen und somit einer der größten Vollstrecker des Holocaust in seinem Machtbereich. In seinem Herrschaftsbereich lag auch das Vernichtungslager Auschwitz und das Warschauer Ghetto. Frank behauptete in seinem Werk „Angesichts des Galgens“, daß Hitlers Großmutter Anna Schickelgruber in einem jüdischen Haushalt in Graz gearbeitet hätte und vom Hausherrn Frankenberger geschwängert worden sei, andere unseriöse Quellen behaupten: von dessen minderjährigem Sohn vergewaltigt wurde (Hennecke Kardel, „Adolf Hitler. Begründer Israels“). Somit sei Hitler ein Vierteljude gewesen. Nur Pech, daß es in Graz weder eine Familie Frankenberger gab, noch Hitlers Großmutter in einem anderen jüdischen Haushalt angestellt war. Im Jahre 1836 lebten gar keine Juden in Graz, wie auch der Historiker Werner Maser herausfand. Tatsächlich kam lediglich Nepomuk Hiedler in Frage, der sich später auch zu seiner Vaterschaft bekannte. Der genannte, Hitlers Großvater, war auch gleichzeitig der von Hitlers Mutter. Dies postulierte schon der Spiegel im Juli 1967. Schon kurz nach dem Holocaust war versucht worden, den Juden selbst den Völkermord in die Schuhe zu schieben. Übrigens ein Gedanke, dem auch Stalin nachhing – wie sich der Kreis nun zu schließen scheint. Auch das Beispiel der Judenräte taugt hier nicht als Beispiel, war es doch ein perfider Plan Heydrichs, der an Sadismus nichts zu wünschen übrig läßt. Bei keiner Kooperation wurden die Personen selbst deportiert und ersetzt. Ukrainische Helfer, die jüdische Ordnungspolizei und SS trieben die Unglücklichen zusammen und verluden diese in Viehwaggons.

Was also steckt nun hinter Lawrows brutaler Geschichtsfälschung? Neben der Wiederbelebung der Sowjetunion geht es wohl um ein strategisches Kalkül mit Blick auf Iran und Syrien.

Markus Speer, Pforzheim






Zu: „Moskaus Drohungen parieren“ von Stefan Scheil, JF 18/22

Typische Probleme in der Verwandtschaft

Der Krieg Rußlands in der Ukraine ist ein Bruderkrieg, und wie es in der Verwandtschaft zugeht, ist bekannt: man schlägt sich, man verträgt sich, und am Ende ist der Dritte, der helfen wollte, der Depp.

Sigrid Knebel, Deidesheim






Zu: „ʻDen schlafenden Tiger gewecktʼ“, im Gespräch mit Frank Ledwidge, JF 18/22

Wer kümmert sich um Julian Assange?

Die Antworten des Herrn aus dem angelsächsischen Zirkus strotzen ja nur so vor Perfidie. Elegant geht er der Frage nach den US-Kriegsverbrechen aus dem Weg. Der Brüller schlechthin ist die Behauptung, Offiziere der westlichen Wertegemeinschaft versuchten die Gewalt im Sinne der Erfüllung ihres Auftrages zu minimieren. Die zivilen Kollateralschäden im Irak, Afghanistan und Jugoslawien etc. sind ein schlagender Beweis dafür. Mit Erstaunen liest man dann noch, daß der Herr aus dem ehemaligen Empire internationaler Ausbilder für Folterprävention ist. Aktuell könnte er sich da mal um den Fall Julian Assange kümmern. Da gäbe es viel und reichlich aufzuräumen in seinem zerrütteten, westlichen Werte-Empire. Diese arrogante, angelsächsische Bigotterie macht einen immer wieder sprachlos.

Detlef Gukumus, Weinähr






Zu: „Ukraine-Krieg / Fehlende Strategie“ von Dieter Stein, JF 17/22

Mehr Meinungsvielfalt zur Wahrheitsfindung

Im Zoo: Ein übermütiges Kind klettert über den Zaun in den Bärenkäfig. Die Bären zerfleischen es. Die Zoobesucher sind entsetzt. Der alte Wärter schlurft heran und murmelt: „Jaa ..., die tun das.“ So ist die Welt nun mal. Hat Deutschland irgendeinen Grund, sich mit dem russischen Bären anzulegen? Ihn sogar mit Waffenlieferungen an die Ukraine (wie Dieter Stein im Leitkommentar empfiehlt) zu reizen? Die aktuelle Lage ist für Deutschland hochgefährlich. Es gibt nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren. Leider kann der Standpunkt der russischen Seite vom Normalbürger nicht mehr vernommen werden. Russia Today (RT) ist der westlichen Zensur zum Opfer gefallen. Vielleicht könnte ja die JF etwas zur Meinungsvielfalt oder sogar zur Wahrheitsfindung beitragen.

Joachim v. Parpart, Köln




Talkshowprominenz statt Militär

Geboren 1971 in der DDR, frage ich mich: Wie kann eine von Frieden geborgene Generation auf den Straßen und in den Parlamenten zur Beendigung eines abscheulichen Krieges nach noch mehr Waffen, Panzern und Militär rufen? Eine Gesellschaft, deren banale Pseudothemen erschreckend über die fehlende Diplomatie dieser Tage hinwegtäuschen möchten. Statt einer sachlichen Einschätzung qualifizierter und militärerfahrener Berater übernehmen zunehmend Talkshows und eine unerfahrene Prominenz die Berichterstattung für den Bürger. Wir haben den verpflichtenden Dienst an der Waffe in Deutschland abgeschafft, doch das Risiko, selbst Teil eines sich ausweitenden neuen Krieges zu werden, nehmen wir in Kauf.

Anja Heinrich, Elsterwerda






Zu: „Wir brauchen Aufklärung!“ von Mathias Pellack, JF 19/21

Viel mehr Türhüter als nur Lauterbach

Nicht nur Herr Lauterbach steht dieser Aufklärung im Weg, sondern auch sein Vorgänger und die Medien. Hinweise auf die Bedeutung der Steigerung der Abwehrkräfte durch Vitamin D3 (50.000 IE) werden geflissentlich ignoriert, genauso wie die inzwischen weltweite Zulassung von Ivermectin zur Behandlung. Und warum? Weil es nicht den Zielen dient, Hysterie und Angst zu schüren, um der weltweiten Neuordnung einen Schritt näher zu kommen. Ständige Aufdeckungen bestätigen: Es handelt sich nicht um Querdenker und Verschwörungstheoretiker, sondern Menschen, die über den Tellerrand blicken und sich trotz massiver Behinderungen und Ächtung nicht verbiegen lassen.

Armin Steinmeier, Neuried/München






Zur Meldung: „Salomonen: USA wollen Einfluß Chinas verhindern“, JF 18/22

Unbedachter Amerikanismus

Sie geben die „Biden administration“ mit „Biden-Administration“ wieder – ein Anglizismus beziehungsweise Amerikanismus, der leider auch andernorts zu lesen ist. Richtig heißt es: „Regierung Biden“.

Oliver Muschiol, Münster






Zu: „Motivation ist das erste“ von Harald Dill, JF 18/22

Bemerkenswertes Bundesverdienstkreuz

Den Ausführungen zum miserablen Zustand unserer Bundeswehr, dem verbreiteten Duckmäusertum in der deutschen Generalität und zum sogenannten Kriegsgeschehen stimme ich vollinhaltlich zu. Als ein ehemaliger Vaterlandsverteidiger während des – kalten – Krieges mache ich mir Gedanken darüber. Was etwa ist mit dem deutschen Wehrmaterial in Afghanistan geschehen? Wurde es als „Lösegeld“ funktionsfähig an die Taliban übergeben und sich dadurch ein unbehelligter Rückzug vom Hindukusch erkauft? Bemerkenswerterweise wurde der Brigadegeneral Jens Arlt für diesen speziellen Einsatz mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Alban Hirsch, Lauf-Neunhof





Zurück bis zu Oskar Ritter von Niedermayer

Schon beginnend mit den 70er Jahren war es üblich geworden, um der eigenen Karriere willen Mängel im eigenen Ressort zu verschweigen. Das hat sich unter der Ägide von Bundeskanzlerin Angela Merkel  noch verstärkt. Neu ist das allerdings nicht. Der von Professor Dill angesprochene Afghanistan-Einsatz ist mit seinem Fehlschlag nicht neu. Bereits im Ersten Weltkrieg war Deutschland in Afghanistan engagiert. Der damalige Leiter der sogenannten Afghanistan-Expedition, Oskar Ritter von Niedermayer, schrieb als Resümee: „Mit geringsten militärischen Machtmitteln ausgestattet, sollten wir einen größtmöglichen politischen und militärischen Erfolg erzielen. Wir mußten also wohl oder übel mehr scheinen als wir waren, (...) Mit schweren Vorwürfen haben wir in dieser Erkenntnis oft der Leute und Behörden gedacht, die uns im Stich gelassen haben.“ (siehe: „Im Weltkrieg vor Indiens Toren“, Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg, 1936). Mich berührt das besonders, da Oskar Ritter von Niedermayer (1885–1948) mein Onkel ist. Später Professor und Generalmajor, von Freisler in Torgau zum Tode verurteilt, in Karlsbad von den Sowjets verhaftet und in russischer Gefangenschaft in der Lubjanka elendiglich verstorben. Er ist eine tragische Randfigur unserer Geschichte.

Dr. Friedrich Lederer, Kapitän zur See a. D., Bad Reichenhall






Zu: „John Lennon ohne Gitarre“ von Dietmar Mehrens, JF 16/22

Weder nachvollziehbar noch folgerichtig

Eine Neubewertung der Homosexualität und homosexueller Partnerschaften stellt anders als hier en passant behauptet, keine populistische Abkehr vom Vorbild und der Lehre Jesu dar. Das Lehren und Handeln Jesu war eingebettet in einen historischen Kontext, in der die Frage homosexueller Partnerschaften nach heutigem Kenntnisstand gesellschaftlich keinerlei Rolle spielte, sondern – in der alttestamentarischen Tradition – lediglich die Bewertung sexueller Exzesse, insbesondere mit Lustknaben (neben der Ehe). Der von Thomas von Aquin formulierte theologische Leitsatz „Gratia supponit naturam“ („Die Gnade setzt die Natur voraus“) bringt etwas Grundsätzliches auf den Punkt: Die Gnade von Gottes Botschaft und Erlösung steht nicht im Widerspruch zur Natur, sondern führt diese zur Vollendung. Wenn demnach Homosexualität, die im übrigen bei Menschen wie auch im Tierreich festzustellen ist, eine Variante in der Vielfalt der Natur darstellt, ist eine Definition und Behandlung dieser als eine sündige Anlage, die nicht gelebt werden darf, weder nachvollziehbar noch theologisch folgerichtig. 

Die daher längst erforderliche theologische Neubewertung der Homosexualität stellt daher keine populistische Anpassung an den Zeitgeist dar, sondern ein Ernstnehmen von Jesu Botschaft. Theologische Neubewertungen aufgrund von Einsichten und Erkenntnissen hat es in der Kirchengeschichte immer gegeben und tragen der Notwendigkeit der „Ecclesia semper reformanda est“ (Die Kirche muß beständig reformiert werden) Rechnung – ein Zitat, das vermutlich auf den Kirchenlehrer Augustinus (4./5. Jahrhundert) zurückgeht. Der Autor dieses Artikels scheint die zutreffend beschriebene Form des Auftretens Jesu demnach in Teilen mit dem Inhalt seiner Botschaft zu verwechseln, unabhängig davon, daß meines Erachtens tatsächlich vielfach ein Mangel an theologischem Fundament und intellektueller Substanz bei kirchlichen Akteuren zu beklagen ist.

Christopher S. Bergstedt, Hamburg