© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/22 / 20. Mai 2022

„Gefährlich für viele Tausende“
Transgender: Immer mehr Kinder und Jugendliche unterziehen sich einer Geschlechtsumwandlung. Die Psychologin Dianna T. Kenny, Autorin des Buches „Gender Dysphoria“, warnt vor den fatalen Folgen und Hintergründen

Frau Professor Kenny, was ist „Gender Dysphoria“?

Dianna Kenny: Eine Geschlechtsdysphorie ist definiert als klinisch bedeutsamer Leidensdruck, der mit dem starken Wunsch zusammenhängt, ein anderes Geschlecht zu haben. Das kann den Wunsch einschließen, primäre und/oder sekundäre Geschlechtsmerkmale zu ändern. 

In Ihrem gleichnamigen Buch warnen Sie davor, daß diese Diagnose „zu einem erheblichen medizinischen und gesundheitlichen Problem geworden ist“. Inwiefern? 

Kenny: Das Problem ist, daß die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die sich als Transgender bezeichnen, exponentiell gestiegen ist, sowie daß viele von ihnen infolge des lautstarken Wirkens von Transgender-Gruppen im Internet fordern, medizinisch behandelt zu werden, weil sie mit den körperlichen Veränderungen während ihrer Pubertät unzufrieden sind. Dabei ist das ein ganz normales Phänomen in ihrem Entwicklungsstadium, insbesondere bei Mädchen, das im Laufe des Erwachsenwerdens vorbeigeht, wenn man der Natur ihren Lauf läßt.

Wenn also normale pubertäre Selbstzweifel zum Wunsch werden, seinem Geschlecht zu entkommen, ist das eine Dysphorie? 

Kenny: Nicht alle Transgender- oder Gender-diversen Menschen leiden an einer Dysphorie. Aber die Vertreter der Trans-Ideologie verwenden und verwerfen oder ändern die Begriffe opportunistisch ab – und „Geschlechtsdysphorie“ ist dafür ein Paradebeispiel: Sie wollen uns davon überzeugen, sich für eine Transgender-Person zu halten sei keine psychiatrische Störung, sondern eine normale Variante des menschlichen Geschlechtsausdrucks. Deshalb vermeiden Trans-Befürworter das Konzept der Geschlechtsdysphorie. Dennoch coachen sie junge Menschen mit der Absicht, ihnen klarzumachen, ihre Geschlechtsdysphorie sei so schlimm, daß sie selbstmordgefährdet sind, und deshalb eine ihre geschlechtliche Orientierung bestätigende „Behandlung“ brauchen, um ihr Leben zu retten. So wird in jungen Menschen, von denen viele gendervariant oder homosexuell sind, der Glaube geweckt, daß man etwas ändern könne, was sich gar nicht ändern läßt: ihr biologisches Geschlecht. Die Transgender-Lobby versucht die unabänderliche wissenschaftliche Tatsache umzustoßen, daß Geschlecht dimorph ist – also zweigliedrig: männlich und weiblich – und nicht geändert werden kann.

Ist das so sicher? Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, sagt: „Welches Geschlecht ein Mensch hat, kann kein Arzt von außen attestieren.“

Kenny: Das ist nicht nur unsinnig, weil es die Wissenschaft leugnet, sondern auch gefährlich, weil sein Amt ja eine öffentliche Autorität darstellt. Solche Behauptungen tragen dazu bei, daß die Zahl der Minderjährigen, die sich für transsexuell halten, explosionsartig ansteigt. In Schweden zum Beispiel ist die Zahl der Mädchen zwischen 13 und 17 Jahren in nur zehn Jahren um 1.500 Prozent gestiegen. In Großbritannien gab es in den letzten zwanzig Jahren einen Anstieg um 4.000 Prozent – und in vielen anderen Ländern ist es ähnlich.

Wieso greift das so um sich?

Kenny: Meiner Meinung nach haben wir es mit dem Phänomen einer sozialen Infektion zu tun. 

„Soziale Infektion“? 

Kenny: Der Mensch ist ein soziales Tier, das Herden bildet und sich gegenseitig imitiert. Umfangreiche Studien zeigen, daß Jugendliche für diese Art von sozialem (Herden-)Einfluß besonders anfällig sind. Deshalb sind beispielsweise Rauchen, Alkohol, Drogen, aber auch Magersucht, „Ritzen“, also Selbstverletzung, und sogar Selbstmord anfällig für die Verbreitung in den sozialen Netzwerken junger Menschen – und jetzt ist dort auch Geschlechtsdysphorie „in“. Die sozialen Medien haben eine große Rolle bei ihrer „Verbreitung“ gespielt. 

Was steckt Ihrer Meinung nach hinter alldem? 

Kenny: Das ist eine komplexe Frage, und nicht leicht zu beantworten. Die Transgender-Lobby ist sehr mächtig und politisch versiert, und sie hat alle Bereiche der Gesellschaft infiltriert – Medizin, Recht, Bildung, Medien, Politik. Sie ist heute eine Multimilliarden-Dollar-Industrie. Wie eine meiner Kolleginnen sagt: „Folge dem Geld!“ Und diese Spur führt zu Big Pharma, das mit synthetischen Hormonen und Pubertätsblockern ein Vermögen verdient. Ein gutes Geschäft machen auch Chirurgen, die mit dem Skalpell gewünschte Korrekturen vornehmen: Mastektomien, Orchiektomien, Phalloplastiken etc. 

In Deutschland wollen die Grünen eine Gesetzesänderung, laut der jeder ab 14 Jahren sein Geschlecht selbst bestimmen und auch medizinisch ändern lassen kann.

Kenny: Das wäre unverantwortlich, denn das Geschlecht läßt sich weder medizinisch noch chirurgisch ändern. Es ist eine Politik, die einem Irrtum aufsitzt, der Tausenden von jungen Menschen schadet. Der Verlust des sexuellen Lustempfindens sowie Unfruchtbarkeit wären nur zwei Folgen. 

Vielleicht wollen sie später sowieso keine Kinder haben.

Kenny: Stimmt, aber als Jugendlicher kann man sich da nicht sicher sein. Durch die Gabe von gegengeschlechtlichen Hormonen, die die Verwandlung vom biologischen zum Wunschgeschlecht bewirken sollen, während der Pubertät wird das für immer unmöglich. 

Warum? 

Kenny: Weil Östrogen die Spermienproduktion bei Transgender-Frauen vermindert, was zu Azoospermie, zum völligen Fehlen von Samenzellen in der Samenflüssigkeit, führen kann. Und Testosteron führt bei Transgender-Männern zum Ausbleiben des Menstruationszyklus und schädigt die Gebärmutterentwicklung, was die Einnistung der Eizelle erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. 

Gilt Ihre Kritik auch für Erwachsene?

Kenny: Viele der Folgen gelten auch für Erwachsene, aber deren Körper sind bereits voll entwickelt. Erwachsene haben auch schon Erfahrungen mit Sex gemacht, hatten Partner, und einige haben Kinder. Sie können also viel besser einschätzen, was eine teilweise irreversible Geschlechtsumwandlung bedeutet, als ein 14jähriges Kind. 

Normalerweise tun Lobbys doch etwas für ihre Klientel und schaden dieser nicht. 

Kenny: Das stimmt, doch leider besteht diese Lobby größtenteils aus Menschen mit uneingestandenen psychischen Problemen. Einige sind Homosexuelle mit einer verinnerlichten Homophobie, die Diskriminierung erfahren haben und hoffen, diese in Zukunft zu vermeiden. Viele andere haben ernsthafte Schwierigkeiten mit ihrer Sexualität. Deshalb, um die Sexualität aus der menschlichen Erfahrung zu verdrängen, hat diese Lobby all die neuen Kategorien wie asexuell, pansexuell oder aromantisch eingeführt. 

„Aromantisch“? 

Kenny: Aromantische Menschen behaupten, daß sie kein Verlangen nach romantischen Beziehungen haben. Sie können sexuelle Anziehung empfinden, müssen es aber nicht. Eine aromantische Person kann sexuell oder asexuell sein. Das steht im neuen Wörterbuch für Transgender – nicht in der empirischen Wissenschaft. 

Warum widerspricht die dem eigentlich nicht? 

Kenny: Das tut sie, es gibt immer wieder Beispiele – etwa mein Buch. Aber nehmen Sie den Fall von Kenneth Zucker: Der Sexualwissenschaftler und Psychologe war Leiter einer renommierten Klinik in Toronto und wohl der weltweit führende Experte im Bereich der Geschlechtsdysphorie bei Kindern. Doch als er sich 2015 gegen die Behandlung Minderjähriger mit Pubertätsblockern und gegengeschlechtlichen Hormonen wandte, war der Aufschrei so groß, daß er entlassen und seine Klinik geschlossen wurde. 

In den Medien liest man sowohl, die Mehrheit der Experten widerspreche der Transgender-Lobby, wie auch, sie bestätige diese. Was stimmt denn nun? 

Kenny: Das Problem ist, daß die Transgender-Lobby wie gesagt seit langem in der Politik, im Parlament, in den Medien, im Bildungs- und im medizinischen Sektor etc. fest verankert ist. Gerade die Institutionen also, die die Menschen schützen sollen, sind ihr zum Opfer gefallen. Und die meisten dort haben viel zuviel Angst, die Wahrheit über die „Trans-Fiction“ zu sagen, weil sie fürchten, verleumdet, stigmatisiert, aus den sozialen Medien gelöscht oder sogar entlassen zu werden. Selbst eine angesehene wissenschaftliche Zeitschrift wie Scientific American behauptete 2018, daß „Biologen heute glauben, daß es ein weiteres Spektrum gibt als nur das binäre männlich und weiblich“. In ähnlicher Weise kritisierte die Zeitschrift Nature, ebenfalls 2018, den Vorschlag, zu der Praxis zurückzukehren, Menschen auf Basis von Anatomie oder Genetik zu klassifizieren, und stellte fest: „Forschung und medizinische Gemeinschaft sehen das Geschlecht jetzt als komplexer an als männlich und weiblich.“

Daß Politik anfällig für Lobbys ist, ist bekannt. Aber wie läßt sich das Verhalten der Medien erklären?  

Kenny: Leider waren sie mit die ersten, die auf den Zug der Trans-Lobby aufgesprungen sind! Lange war es fast unmöglich, in etablierten Medien einen Artikel zu finden, der ihren Standpunkt auch nur in Frage gestellt, geschweige denn kritisiert hätte. Doch zum Glück hat sich dies in letzter Zeit etwas geändert. Immer mehr Leute sprechen sich öffentlich dafür aus, Kinder nicht mit Pubertätsblockern und Hormonen zu behandelen. Und in Europa und den USA beginnt die Politik sich zu ändern und diese Behandlung bei Minderjährigen zu verbieten. 

Haben wir es hier eigentlich mit linker Ideologie zu tun? 

Kenny: Ich bin Psychologin, doch diese Frage berührt eher die Soziologie und Politologie, und ich fühle mich nicht qualifiziert, darauf zu antworten. Was ich Ihnen aber sagen kann, ist, daß von hundert jungen Leuten, die sich einer geschlechtsangleichenden Behandlung unterziehen, etwa achtzig ihren Wunsch wieder aufgeben würden, wenn sie nicht behandelt würden, sondern die Chance hätten, ihre Pubertät ganz natürlich zu durchlaufen.

Wie viele der Behandelten wollen später zu ihrem alten Geschlecht zurück? Mal liest man von Studien, die sagen, daß es nur ein winziger Bruchteil sei, dann von Studien, die in die andere Richtung weisen. Auch hier stellt sich also die Frage: Was stimmt denn nun?

Kenny: Es gibt weltweit Zehntausende Menschen, die ihre Geschlechtsumwandlung bereuen oder sie sogar, soweit möglich, wieder rückgängig machen. Zum Beispiel findet sich allein auf der Internetplattform Reddit eine entsprechende Themengruppe mit rund 30.000 Mitgliedern! 

Noch einmal der deutsche Queer-Beauftragte: Daß die Zahlen so explodieren, sei „keine Modeerscheinung, ... (sondern) der Tatsache geschuldet, daß die Gesellschaft offener geworden ist“. Ist da nicht etwas dran?

Kenny: Das ist ein Argument, das die Trans-Lobby verbreitet. Aber es ist eine Mode, die durch soziale Infektion genährt wird. Noch nie in der Geschichte hat es einen solchen Anstieg bei jungen Menschen gegeben, die sich als Transgender bezeichnen. 

Aber das Argument hat doch eine plausible Logik.

Kenny: Laut American Psychiatric Association gibt es schätzungsweise einen transsexuellen Mann beziehungsweise eine transsexuelle Frau auf 10.000 Männer und 27.000 Frauen. Nein, die Zahl explodiert, weil die Trans-Lobby den Erfolg der LGB-Lobby wiederholen will, indem sie deren Strategie kopiert. Das aber wird ihr nicht gelingen, denn Homosexualität ist etwas völlig anderes als Transsexualität: Zum einen ist sie eine biologische Realität. Die meisten Homosexuellen zweifeln nicht an ihrer Orientierung, und sie wollen weder ihr Geschlecht wechseln noch ihren Körper medizinisch oder chirurgisch verändern. Zum anderen steht Homosexualität nicht im Widerspruch zur Realität des Sexualdimorphismus, das heißt, der Tatsache, daß es nur zwei Geschlechter gibt. Die Transgender-Lobby mit ihren zahllosen Phantasiegeschlechtern beruft sich dagegen auf das Phänomen der Intersexuellen – die äußerst geringe Zahl der Menschen, die tatsächlich mit Merkmalen beider Geschlechter geboren werden – sowie auf die minimale Zahl der echten Transsexuellen. Im Gegensatz zur Homosexualität wird diese Transgender-Pandemie allmählich abklingen und hoffentlich in einigen Jahren enden, wie es bei allen psychischen Epidemien in der Geschichte der Fall war.  

Sind Sie sicher? Ideologien können sich auch über Jahrzehnte halten und erst verschwinden, wenn sie eine Gemeinschaft zerstört haben.  

Kenny: Der Kollateralschaden, den diese Epidemie anrichtet, ist herzzerreißend. Die Körper junger Menschen werden zusammen mit ihren Familien zerstört. Tragisch!  Moritz schwarz 






Prof. Dr. em. Dianna T. Kenny, ist Autorin des Buchs „Gender Dysphoria in Children and Young People“ (Geschlechtsdysphorie bei Kindern und jungen Menschen), das 2020 erschien. Die australische Psychologin lehrte von 1988 bis 2019 an der Universität von Sydney. Sie publizierte zahlreiche Fachartikel, über ein halbes Dutzend Fachbücher und wurde als Expertin ins Landesparlament des Bundesstaates New South Wales geladen, wo sie heute Psychotherapeutin mit eigener Praxis ist, spezalisiert auf die Behandlung von Geschlechtsdysphorie bei Jugendlichen. Geboren wurde Dianna Kenny in Ayr im Bundesstaat Queensland; über ihr Alter schweigt sie.

 www.diannakenny.com.au

Foto: Jugendliche: „Die TransgenderLobby hat alle Bereiche unserer Gesellschaft infiltriert ... jungen Leuten redet sie ein, selbstmordgefährdet zu sein und eine Geschlechtsänderung zu brauchen“