© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/22 / 20. Mai 2022

Jeder, wie sie will
Transsexuellengesetz: Noch vor der Sommerpause will die Ampel die „entwürdigenden“ Vorschriften abschaffen / Das Geschlecht soll dann im Standesamt geändert werden
Christian Vollradt

Geht es nach dem Willen der Ampel-Koalition, dann sind die Tage des Transsexuellengesetzes schon gezählt. Noch vor der Sommerpause soll der Entwurf für ein sogenanntes Selbstbestimmungsgesetz in den Bundestag eingebracht werden. Die Mehrheit dafür steht, ist sicher. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatten FDP und Grüne je einen Entwurf eingebracht. Damals hatte das Vorhaben nur deswegen keine Mehrheit bekommen, weil die Sozialdemokraten aus Koalitionsdisziplin dagegen stimmten. 

Innerhalb der Großen Koalition hatten sich Union und SPD nicht auf eine  Neufassung des Transsexuellengesetzes einigen können. Im Koalitionsvertrag vereinbarten die Ampel-Parteien, das Transsexuellengesetz abzuschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Darin soll unter anderem festgelegt werden, daß Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand „grundsätzlich per Selbstauskunft“ beim Standesamt möglich sein sollen. 

Im Bundestag gilt bereits allein die „Selbstbestimmung“ 

Daß das Transsexuellengesetz geändert werden muß, liegt indes auf der Hand. Denn kurioserweise besteht dieses 1981 geschaffene Gesetz quasi zur Hälfte aus Bestimmungen, deren Anwendung das Bundesverfassungsgericht für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt hat. So kippte Karlsruhe zwei der ursprünglich geltenden Voraussetzungen für eine Änderung des Geschlechtseintrags. Als „bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung nicht anwendbar“ ist die Regelung, der oder die Betreffende müsse „dauernd fortpflanzungsunfähig“ sein und sich einem die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen haben, „durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist“.

Nach derzeitigem Stand muß man allerdings zwei psychiatrische Gutachten vorlegen, die bestätigen, daß man dauerhaft Geschlecht und Vornamen ändern wolle. Auch drei verschiedene Fragebögen müssen die Betroffenen vorher ausfüllen, in denen es unter anderem um psychische Erkrankungen, um die Zufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation und dem eigenen Körper, aber auch um die familiäre Situation geht. Zuständig für das Verfahren sind – noch – Amtsgerichte. Nach dem Willen der Ampel-Koalition sollen bald allein die Standesämter zuständig sein. 

Das bisherige Verfahren sei „langwierig, teuer und vor allem entwürdigend“, beklagte der „Queer-Beauftragte“ der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne). Um die 2.000 Euro muß zahlen, wer den Wechsel des Geschlechts amtlich machen will. Daß intimste Fragen beantwortet werden müssen, sei besonders anstößig. Die Befürworter der totalen Selbstbestimmung argumentieren zudem, das aufwendige Verfahren sei überflüssig, da 99 Prozent der Fälle schon jetzt im Sinne der Antragsteller entschieden würden. Deren Zahl ist zudem stark gestiegen. Der Geschäftsübersicht der Amtsgerichte in Deutschland zufolge gab es 1995 insgesamt 400 Verfahren nach dem Transsexuellengesetz, im Jahr 2020 waren es 2.687.

Kritiker der rot-grün-gelben Gesetzreform stoßen sich besonders daran, daß einem weitgehenden Entwurf zufolge Jugendliche dann möglicherweise bereits ab dem vollendeten 14. Lebensjahr (mit Zustimmung der Eltern), also noch in der Pubertät, den Wechsel des Vornamens und Geschlechtseintrags beantragen können. Für die „Queer“-Lobbyisten ist jedoch entscheidend, daß angeblich viele Jugendliche „schon seit frühester Kindheit wissen, daß das ihnen zugewiesene Geschlecht nicht ihrer Identität entspricht“, so der Parlamentarische Staatssekretär Lehmann. Und diese Jugendlichen müßten „eine Handhabe bekommen, damit sie nicht gegen ihren Willen in der Schule oder im Sportverein mit falschem Namen oder Geschlecht angesprochen werden“. Das soll im übrigen künftig strafbar sein.

Die Bundesregierung betont jedoch, daß das geplante Selbstbestimmungsgesetz ausschließlich den Geschlechtseintrag in Ausweisdokumenten neu regeln soll. „Alle medizinischen Fragen wie Hormonbehandlungen oder Operationen werden nicht gesetzlich geregelt“, dafür gebe es bereits spezielle fachärztliche Leitlinien, betonte Lehmann. Ziel sei vorrangig, das nach Meinung der „Community“ und ihrer Unterstützer „gegen die Würde der Menschen verstoßende“ Gesetz abzuschaffen: Transgeschlechtlichkeit sei keine Krankheit, „sondern eine natürliche Variante der geschlechtlichen Entwicklung“, schreibt der Queer-Beaufttagte der Bundesregierung. „Krank ist vielmehr ein Gesetz, das Menschen für krank erklärt, die nur in Freiheit und Würde leben wollen.“

Bezeichnenderweise wird im Bundestag die noch geltende Rechtslage in einem prominenten Fall schon nicht mehr angewandt. Denn die laut Transsexuellengesetz nach wie vor mit einem Wechsel des Geschlechts samt Änderung des Vornamens verbundenen Voraussetzungen hat die Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer laut eigenem Bekunden bewußt nicht erfüllt. Dem Bundeswahlgesetz gemäß mußte sie bei der Bundestagswahl daher auch unter dem personenstandsrechtlich gültigen Namen Markus Ganserer kandidieren. 

Auf der offiziellen Seite des Bundestags wird der rechtlich männliche Abgeordnete allerdings als Frau und ausschließlich mit dem weiblichen Vornamen Tessa geführt. Fragen zu persönlichen Details in diesem konkreten Fall beantwortet die Verwaltung des Parlaments unter Verweis auf die Schutzwürdigkeit der Daten nicht. Allgemein heißt es, der Bundestag veröffentliche auf der Internet-seite und im Amtlichen Handbuch lediglich die biographischen Informationen, die er von den Abgeordneten erhalte. „Jedes Mitglied des Bundestages ist für seine Angaben, die er gegenüber dem Bundestag macht, selbst verantwortlich“, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der JUNGEN FREIHEIT.

Auch das Abgeordnetenhandbuch, der „Kürschner“, änderte die Zuordnung des oder der Abgeordneten Ganserer. Laut der ersten Auflage bestand die Grünen-Fraktion noch aus 69 Frauen und 49 Männern. In der zweiten wurde das geändert: Die (personell unveränderte) Fraktion hat nun 70 Frauen und 48 Männer. Entsprechend beträgt der Frauenanteil des gesamten Bundestags nun 34,9 und nicht mehr 34,8 Prozent.

Foto: Vom Herrenschnürschuh zum Damenpumps – oder umgekehrt: „...vor allem entwürdigend“