© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/22 / 20. Mai 2022

Die Dynamik erschreckt
Wenn sich plötzlich mehrere Schülerinnen einer Klasse als Transgender bekennen: Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen nehmen rasant zu. Der Hype geht mit Verstümmelungen des Körpers einher. Warum schützt die Jugendlichen niemand vor unumkehrbaren Entscheidungen?
Martin Voigt

Kommt sie wirklich ihr Leben lang damit klar? Die Abhängigkeit von Hormonen, die Amputation der Brüste? Meint sie das wirklich ernst?“ Als das erste Mädchen aus seiner Schule über einen Vertrauenslehrer verlautbaren läßt, daß sie fortan „im männlichen Geschlecht leben“ und „den Weg der Transition“ gehen werde, ist der Bremer Gymnasiallehrer Michael Böhm fassungslos. Die Zehntkläßlerin sei bis dahin unauffällig gewesen, erzählt er der JUNGEN FREIHEIT. In Abständen von ein paar Monaten outen sich zwei weitere Mädchen aus derselben Jahrgangsstufe als Transgender.

Böhms Beobachtung ist kein Einzelfall. Am südlichen Ende Deutschlands bestätigen die beiden Münchner Schüler Jan und Moritz sofort die Frage der JF, ob „trans“ ein Trend unter Mädchen sei. Moritz: „Ja, an unserer Schule sind es vier oder fünf Mädchen, die trans sind.“ Jan: „Bei uns sind es auch ein paar, aber die Eltern spielen da noch nicht ganz mit.“

Von einem „Transgender-Hype“ berichtete die Kinder- und Jugendmedizinerin der Ruhr-Uniklinik Annette Richter-Unruh schon 2019 in der FAZ. Laut der leitenden Ärztin seien im Jahr 2006 nur drei Kinder mit vermuteter Transidentität in der Klinik vorstellig geworden. 2019 seien es schon über 200 gewesen, vor allem Mädchen. Inzwischen sind es mehrere hundert, deutschlandweit sind es Tausende – und sie wissen, was sie wollen. Mit ihren Selbstdiagnosen und voller Haß auf ihren weiblichen Körper stürmen Mädchen neuerdings in allen westlichen Industrieländern die Kliniken. Die Wartelisten sind voll.

„Die Sprache, die die Mädchen auf einmal draufhaben, und wie sie fordern, mit neuem Namen und dem männlichen Pronomen angesprochen zu werden – die haben sich Hilfe bei diesen Trans-Gruppen geholt“, ist sich Böhm sicher. Mit dieser Vermutung ist der Lehrer nicht allein. Das Phänomen „Rapid-Onset Gender Dysphoria“, kurz ROGD und zu deutsch „plötzlich einsetzende Geschlechtsdysphorie“ (Dysphorie = Störung des emotionalen Erlebens), betrifft vor allem pubertierende Mädchen. Weltweit bilden sich Initiativen entsetzter Eltern, die nicht glauben wollen, daß ihre Töchter wie aus heiterem Himmel ihre „wahre Geschlechtsidentität“ als Junge für sich entdeckt hätten. Geschlechtsangleichende Maßnahmen, also Hormone und Skalpell, seien just das Mittel der Wahl, um mit pubertären und seelischen Problemen endgültig abzuschließen. Der „neue Körper“ – eine radikale Zäsur.

Wenn Kinder urplötzlich fixiert auf Geschlechtsumwandlung sind

Per WhatsApp oder Brief seien sie von ihren Töchtern informiert worden, berichten unzählige Eltern unabhängig voneinander in Online-Selbsthilfegruppen und im Interview mit der Frauenzeitschrift Emma, die sich intensiv mit der „Trans-Mode“ auseinandersetzt. Ihre Kinder seien urplötzlich wie verblendet und fixiert auf die Transition als absolut einzige Möglichkeit, jemals noch ein glückliches Leben zu führen. Auf eigene Faust hätten sie oftmals schon Psychologen konsultiert, die die Geschlechtsdysphorie uneingeschränkt bestätigen und bereits nach dem Erstgespräch zum Endokrinologen überweisen.

Elterninitiativen wie „Parents of ROGD Kids“ haben sich vor allem deshalb gegründet, um sich gegen die unterlassene Hilfeleistung und die Desinformation der zu Rate gezogenen Therapeuten und Ärzte zu wehren. Diese würden sehr oft im selben ideologischen Fahrwasser schwimmen wie die radikale Trans-Gemeinschaft, die jeden vorsichtigen Einwand als „transphob“ geißelt. Die Eltern sollen die neue Identität als Junge nicht in Frage stellen, so die transaffirmativen Therapeuten, sondern ihre Kinder auf dem eingeschlagenen Weg unterstützen, wenn sie keinen großen seelischen Schaden riskieren wollen. Statt einer kritischen und ganzheitlichen Anamnese und einer umfassenden Aufklärung über die lebenslangen Folgen von Hormontherapien und geschlechtsangleichenden Operationen bildet sich eine Tochter-Therapeuten-Allianz, die gegenüber den Eltern Druck und Schuldgefühle aufbaut.

Viele Eltern knicken ein, manche suchen nach alternativen Therapie-Angeboten. Doch die Vertreter der Zunft sind durchideologisiert oder verängstigt. So bleibt etwa die Suche eines Vaters nach einem Psychologen für seine Tochter erfolglos, da „sie alle ihre Praxis eingestellt haben, weil sie massiven Angriffen ausgesetzt waren“ und auch juristisch belangt worden seien.

Die Trans-Lobby ist die neue Hausmacht im Regenbogen-Deutschland. Ihre Transgender-Heilsbotschaft richtet sich im Internet gezielt an verunsicherte Teenager. Und es gelingt ihr, Psychologen, Ärzte und Eltern massiv unter Druck zu setzen, damit sie den spontanen Transitionswünschen der Kinder zustimmen.

Eine Mutter hatte sich deshalb in einem offenen Brief in der feministischen Emma an den Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), gewandt. Sie sei besorgt über das geplante Selbstbestimmungsgesetz, das es 14jährigen Kindern ermöglichen soll, sich ohne die Zustimmung ihrer Eltern für eine Geschlechtsumwandlung zu entscheiden. Die „medial fehlgeleiteten“ Teenager seien in ihrer sexuellen Identität verwirrt und würden sich, beeinflußt durch die überall propagierte sexuelle Vielfalt, unreflektiert als pansexuell, bisexuell, homosexuell und eben auch als transsexuell bezeichnen. In ihrer altersgemäß völlig unsicheren Lebenssituation dürften sie solch tiefgreifende Entscheidungen, die dem Outing als „trans“ oftmals folgten, nicht ohne die Eltern treffen können, so die Bitte der sich selbst als links definierenden Mutter an Lehmann.

Der Regenbogen-Chef jedoch verhöhnte die Mutter auf Instagram: Ihr Brief strotze vor „Queer- und Transfeindlichkeit, Homophobie, Adultismus“ und elterlichem „Machtgehabe“. Er könne so auch von „evangelikalen Christ*innen und bürgerlichen Faschos stammen“, zitierte Lehmann die Meinung eines weiteren Instagram-Nutzers.

Gegenüber der DPA betonte der Queer-Beauftragte: „Trans ist ganz sicher weder ein Hype noch eine Modeerscheinung.“ Vielmehr würde die „offener gewordene“ Gesellschaft es den Mädchen erleichtern, zu ihrer männlichen Identität zu stehen. Lehmanns Logik ist beispielhaft für die Orwellsche Agenda der Trans-Lobby, deren nächster Coup das Selbstbestimmungsgesetz sein soll.

Entscheidung wird von allen Seiten bekräftigt und beklatscht

Die Regierungskoalition will das 40 Jahre alte Transsexuellengesetz abschaffen, amtliche Personenstandsänderungen vereinfachen und die dafür bisher notwendigen psychiatrischen Gutachten für obsolet erklären. Jugendliche ab 14 Jahren sollen ihre geschlechtliche Identität frei wählen dürfen. Noch müssen die Eltern da zustimmen.

Dem „Sprechakt“ von Teenagern folgt meist die Transition, beginnend mit Hormonblockern. Künftig sollen Eltern die Identitätsverwirrung ihrer Kinder nicht mehr hinterfragen und auch per Gesetz aus der Entscheidung über medizinische Maßnahmen ausgeklammert werden. Laut Koalitionsvertrag sollen dann Krankenkassen für die Hormonbehandlungen und Operationen aufkommen. Lehmann fordert in der Zeit, „die Peer-basierten Angebote aus der Trans-Community“ zu stärken, denn die hätten das „nötige Einfühlungsvermögen für die Begleitung von Transitionen“.

Innerhalb der Ärzteschaft könnten die nicht verbindlichen Altersgrenzen bei diesen gravierenden Eingriffen bald ganz wegfallen, warnt der Münchner Kinder- und Jugendpsychiater Alexander Korte in der Emma. Ein großer Fehler, denn „wir werden überschwemmt von Anfragen“. Doch nur bei einem kleinen Teil der Minderjährigen, die sich als „trans“ outen, liege eine transsexuelle Entwicklung vor. Sie würden vielmehr an den Herausforderungen der Pubertät scheitern. „Die rigiden Schönheitsideale tragen ihren Teil dazu bei“, beobachtet Korte. Mit der Schablone „Ich bin trans“ biete sich eine Erklärung für die gestörte Körperwahrnehmung.

Noch im Rausch der plötzlichen Selbsterkenntnis wird diese dann ohne weiteres amtlich, therapeutisch und sozial, also von allen Seiten, bekräftigt und beklatscht. Besonders gegenüber Gleichaltrigen und der Trans-Gemeinschaft käme ein Rücktritt vom Outing einem Gesichtsverlust gleich. Sie seien „aus der Nummer nicht mehr herausgekommen“, sagen Betroffene.

Pubertätsblocker sind der erste Schritt in die Transition. Beobachtungen zeigen, daß sich fast alle so behandelten Kinder für weitere pharmakologische und operative Eingriffe entscheiden. Ohne die Einnahme von Pubertätsblockern, die für sich schon ein unerforschter Chemiecocktail sind, würden sich vier von fünf Betroffenen mit ihrem biologischen Geschlecht aussöhnen, mahnten 2019 Mediziner der Londoner Tavistock-Klinik, die durch den Fall Keira Bell für Aufsehen sorgte.

Als 16jährige bekam Bell auf ihre Aussage hin, sie fühle sich als Junge, die Hormone, die sie wollte. Mit 18 ließ sie sich die Brüste amputieren. Man habe ihr nur „ein paar oberflächliche Fragen“ gestellt und hätte „ihre Wünsche viel stärker hinterfragen“ müssen, wird sie später vor Gericht aussagen. 2020 gab der britische High Court Bells Klage gegen den National Health Service und die Tavistock-Klinik recht: Jugendliche seien kaum in der Lage, die Tragweite und die Risiken der Einnahme von Pubertätsblockern zu erfassen.

Bell gehört zu der tragischen Gruppe der sogenannten Detransitioner: Mädchen, die ihre Geschlechtsumwandlung bereuen und versuchen, wieder als Frauen zu leben. Unter dem Hashtag #detrans berichten sie in den sozialen Medien, wie sie in Phasen psychischer Krisen und pubertärer Identitätsfindung zum Spielball der Transgender-Ideologie wurden. Mit dem Sprechakt „Ich bin trans“ verschärfen sich meist der Identitätskonflikt und auch der Druck in den Trans-Gruppen, Taten folgen zu lassen. Es setzt sich ein Prozeß in Gang, der in eine pharmakologische Einbahnstraße ohne Wiederkehr führt – mit der Transition als Endstation.

Auch hierzulande schildern Detrans-Mädchen von ihrer Verstrickung in die fixe Idee, „trans“ zu sein, dem Ausblenden aller Zweifel und Warnungen und auch von den Lügen und den Blitzdiagnosen transaffirmativer Scharlatane, denen sie zum Opfer gefallen sind. Mit Vorher-nachher-Fotos warnen sie vor den unabsehbaren medizinischen Konsequenzen der Testosteronbehandlung und einem Leben ohne Geschlechtsorgane.

„Bisher haben sie sich nur die Haare abgeschnitten und bunt gefärbt“, beschreibt Böhm den Transitionsprozeß seiner drei Schülerinnen. Das erinnere eher an Punks und jugendliche Protestkultur. Ob sie verstünden, daß Hormone etwas anderes seien als Haarfarbe? „Es gibt keine offiziellen Hilfsangebote für Schulen, die Kinder vor den schrecklichen Folgen einer Transition schützen“, klagt der Lehrer. „Ich will niemanden an die Schule holen, der die Mädchen sehenden Auges auf den OP-Tisch schickt.“





Rat und Hilfe

Das private Aktionsbündnis für Ehe und Familie „Demo für alle“ informiert und berät zur Sexualaufklärung und warnt intensiv vor der Transgender-Bewegung. Zunehmend melden sich verzweifelte Eltern, deren Töchter sich als trans outen. Sie bekommen Rat und Hilfe. An Eltern und Lehrer richtet sich auch das Info-Material:

– Aufklärungsbroschüre „Transgender-Hype. Angriff & Abwehr“

– Faltblatt „Kinderfalle Trans-Hype. Jetzt aktiv werden“

 Youtube-Video „Kinderfalle Transgender-Hype – einfach erklärt“

Hedwig von Beverfoerde, Sprecherin von „Demo für alle“: „Es ist ein Kult, der die Mädchen erfaßt und in seinen Bann zieht. Plötzlich sind da vier, fünf Outings in einer Jahrgangsstufe. Um diese soziale Ansteckung geht es, nicht um extrem seltene Fälle von Transsexualität.“

Foto: Heranwachsendes Mädchen, Jungen-Silhouette: Trans gilt neuerdings in gewissen jugendlichen Milieus als cool