© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/22 / 20. Mai 2022

Nach zähem Protokoll – nun das Ja zum Beitritt
Finnland: Mit 188 Ja-Stimmen und acht Nein-Stimmen befürwortet das Parlament die Nato-Politik der Regierung / Türkei will ein Wort mitreden
Curd-Torsten Weick

Der Beitritt Finnlands zur Nato stand schon Mitte vergangener Woche fest. Finnland sollte der Nato beitreten, um sich besser um seine Sicherheit kümmern zu können, begründeten die Ministerpräsidentin und der Präsident des Landes am Donnerstag morgen in einer gemeinsamen Erklärung. Sanna Marin (SDP) und Sauli Niinistö betonten, sie seien erst nach einer umfassenden Debatte über die Sicherheitspolitik nach Rußlands erneutem Angriff auf die Ukraine zu diesem Schluß gekommen. „Jetzt, da der Moment der Entscheidung naht, legen wir unsere gleichen Ansichten dar, auch zur Information der Fraktionen und Parteien. Die Nato-Mitgliedschaft würde Finnlands Sicherheit stärken. Wir hoffen, daß die nationalen Schritte, die für diese Entscheidung noch notwendig sind, in den nächsten Tagen zügig unternommen werden“, hieß es in dem Bericht der Regierung über die „Veränderung der Sicherheitslage“. 

Gesagt, getan. Nachdem sich mehrere Ausschüsse und das Sicherheitskabinett damit beschäftigt hatten, lag es in den Händen des Parlaments, den letzten Schritt zu tun. Am Montag morgen begann die Debatte, und nach mehr als 14 Stunden schloß der stellvertretende Parlamentspräsident Antti Rinne (SDP) die erste Sitzung 20 Minuten nach Mitternacht. Warum dauerte es so lange? Hatten die warnenden Worte aus Moskau, daß eine weitere Ausweitung der Nato „unseren Kontinent nicht stabiler und sicherer“ machen, wie es Kreml-Sprecher Dmitri Peskow formulierte, Wirkung erzielt? War Moskaus Stopp der Stromlieferungen schuld? Oder hatte Ankaras Drohung, den Beitritt von Schweden und Finnland verhindern zu wollen, die Stimmung kippen lassen? Ankara ist aufgrund des Einfrierens finnischer Waffenlieferungen sowie aufgrund des Vorwurfs, daß beide Länder Zufluchtsorte für „Terroristen“ der PKK und der Gülen-Bewegung seien, erzürnt. 

Doch selbst die Linksallianz, eine Partei, die sich am wenigsten für den Beitritt zu dem Militärbündnis erwärmt hatte, unterstützte zum Schluß den Nato-Beitritt, zitiert die Rundfunlanstalt Yle die Linkspolitikerin Aino-Kaisa Pekonen. 

Linksallianz wollte zum Schluß kein Spielverderber sein 

„In dieser Situation sehe ich keine andere Möglichkeit, um die Sicherheit Finnlands und der Finnen zu gewährleisten“, erklärte sie. „Als bündnisfreies Land würde Finnland in einem Konflikt zwischen der Nato und Rußland kaum ein Außenseiter bleiben. Vielleicht ist es besser, zum inneren Kreis der Nato zu gehören, als zwischen zwei Seiten zu stehen“, betonte die Ex-Sozialministerin. 

Auch eine „klare und stetig wachsende“ Mehrheit der Finnen unterstützt der jüngsten Yle-Umfrage zufolge den Nato-Beitritt. Demnach ist die Unterstützung für die Mitgliedschaft von 53 Prozent im Februar auf 62 Prozent im März und 76 Prozent im Mai gestiegen. Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte sich noch eine Mehrheit der Finnen lange gegen eine Mitgliedschaft ausgesprochen. Dennoch debattierten die Abgeordneten noch am Dienstag mittag – obwohl die Zeitung Ilta-Sanomat schon am Morgen berichtet hatte, daß sich in der 200 Sitze zählenden Legislative nur etwa zehn Abgeordnete gegen einen Nato-Beitritt Finnlands aussprechen dürften. Um 14.30 Uhr stand dann das Ergebnis der „historischen Sitzung“ (Yle) fest: 188 Ja-Stimmen gegen 8 Nein-Stimmen. Drei Abgeordnete wurden bei der Abstimmung als abwesend markiert.

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