© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/22 / 20. Mai 2022

Kursverfall beim Stable Coin Terra erschüttert die gesamte Kryptowelt
Ein Crash, nicht das Ende
Thorsten Polleit

Der Stablecoin TerraUSD und der dazugehörige Token Luna verfielen vorige Woche praktisch wertlos. Die Panik hat auch die Kryptoeinheiten Tether und Circle in Mißkredit gebracht. Selbst der Bitcoin geriet unter Druck. Aber ist dies „der Lehman-Moment der Kryptobranche“, wie Pessimisten in Anspielung auf die Pleite der US-Investmentbank 2008 warnen? Zweifelsohne ist ein gewaltiger Vertrauensverlust in die neuen Kryptogeld­aspiranten entstanden. Doch der Markt ist ein Entdeckungsverfahren, in dem das Bessere das weniger Gute verdrängt. Stablecoins à la Terra haben keine reale Deckung, sie basieren auf einem Algorithmus, der einen stabilen Wert gegenüber dem US-Dollar schafft.

Dieser alchemistische Versuch ist gescheitert. Doch damit ist die Idee einer realen Deckung keineswegs entzaubert – der Stablecoin Dai ist mit Ethereum-basierten Vermögensgegenständen hinterlegt. Zudem sind die Kryptomärkte noch zu klein, um die Aktien-, Anleihe- und Derivativmärkte aus den Angeln heben zu können. Dennoch wird der Terra-Untergang Folgen haben. Er könnte vor allem die Regulierungsbehörden auf den Plan rufen und die Marktentwicklung hemmen – schließlich sind die Kryptomärkte den Regierungen ohnehin ein Dorn im Auge, weil sie das staatliche Geldmonopol herausfordern. Zudem wird es im Markt für Stablecoins vermutlich verstärkte Anstrengungen geben, die Frage der Sicherheit, der Deckung der Kryptoeinheiten, zu gewährleisten. Stablecoins, die mit staatlichem Geld unterlegt sind, büßen zudem ihre Kaufkraft ein, wenn Dollar, Euro & Co. inflationieren.

Das wiederum kann vor allem die Nachfrage der Stablecoin-Anbieter nach Gold und Silber zu Deckungszwecken beflügeln. Nicht zuletzt wird vermutlich das Interesse am Bitcoin steigen. Denn der Marktführer ist kein Stablecoin. Der Bitcoin ist mengenmäßig begrenzt und basiert auf einem dezentral organisierten Buchungssystem, in dem Zahlungen kryptographisch legitimiert und über ein weltweites Rechnernetz abgewickelt werden. Daß der Terra-Crash nicht das Ende des Kryptomarktes ist, dafür spricht allein schon die voranschreitende Kaufkraftentwertung der großen Weltwährungen, der immer mehr Menschen auszuweichen versuchen. Kryptos bleiben in den Augen vieler vermutlich eine Lösung.