© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/22 / 20. Mai 2022

Blick in die Medien
Ohne Namen bleiben
Tobias Dahlbrügge

Wenn von Tabuthemen die Rede ist, denkt man schnell an linke „Tabubrüche“, die nichts als schrille Provokationen sind. In diesem Fall ist es anders: Die Zeitschrift „Eltern“ (gegr. 1966) hat eine Werbekampagne initiiert, die sich mit einem Phänomen beschäftigt, das im öffentlichen Bewußtsein nicht gespiegelt wird: Fehlgeburten.

Bei den meisten frisch verheirateten Paaren ist der Kinderwunsch sehr stark. Doch rund jede sechste Schwangerschaft endet vorzeitig mit einer Fehlgeburt. Mit der Trauer bleiben die Eltern – besonders Mütter – häufig allein: Da wurden die ersten Ultraschallbilder in ein Album geklebt, manchmal sogar schon ein Kinderzimmer eingerichtet, die ersten Strampler gestrickt, und dann macht ein Abort das erwünschte Familienglück zunichte. 

Kampagne will Betroffenen Schuldgefühle abnehmen und Trauer um ungeborenes Kind ermöglichen.

Viele Paare trauen sich anschließend nicht mehr, einen weiteren Versuch zu wagen. Frauen tragen sich oft mit Schuldgefühlen gegenüber dem verlorenen Kind. Daran können Beziehungen zerbrechen. Obwohl dieses Unglück eben kein Einzelschicksal ist, wird nicht öffentlich darüber gesprochen, und das in dieser Republik der Befindlichkeiten, wo sonst jedes Wehwehchen breitgetanzt wird. Eine Fehlgeburt kann vielfältige, komplexe Gründe und auch psychische Ursachen haben. Gerade deshalb will die Kampagne Betroffenen Schuldgefühle abnehmen und Trauer ermöglichen. Aber auch Mut für einen Neuanfang machen. Zum Muttertag startete die Aktion mit einem Youtube-Video. Der Clip wird auch auf einigen privaten TV-Sendern ausgestrahlt. Die Webseite bietet medizinische Informationen und ein Forum zum persönlichen Austausch. Außerdem sollen Ängste vor einer weiteren Schwangerschaft aufgelöst werden. Der tiefgehende Film mit der Off-Stimme eines verlorenen Kindes („Es war nicht deine Schuld, daß ich es nicht geschafft hab“) enthält eine „Triggerwarnung: Sensible Inhalte rund um das Thema Schwangerschaft“. Noch sensibler wäre nur das Tabuthema späterer Traumata nach Abtreibungen.

 www.eltern.de