© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/22 / 20. Mai 2022

Im Kampf der Kontinente: Geopolitische Wende der EU
Rüstung statt Kosmopolitismus
(wm)

Im Lager der Linken wirkt der Ukraine-Krieg wie ein Spaltpilz. Nur eine Minderheit scheint noch an Antiamerikanismus oder Pazifismus festzuhalten, während die tonangebende Mehrheit sich zum Bellizismus bekehrt und ihre Nato-Sympathien entdeckt. So plädiert denn auch Albrecht von Lucke in seinem linksliberalen Leib- und Magenblatt (Blätter für deutsche und internationale Politik 4/2022) nicht nur für EU-finanzierte Waffenlieferungen an die Ukraine, sondern generell für eine „Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit“. Damit, so wettert der Politologe Manuel Müller (Uni Duisburg-Essen), rede er jener „geopolitischen Wende“ das Wort, die die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Amtsantritt 2019 versprach (Blätter... 5/2022). Das sei ihr Fluchtversuch heraus aus der Polykrise um Euro, Asyl, Brexit gewesen, die die traditionelle Friedens- und Wohlstandserzählung der Brüsseler Eurokraten in frage stellte. Um ein „neues Narrativ“ zu formulieren, habe von der Leyen bereits 2019 darüber schwadroniert, die EU müsse ihre verteidigungspolitischen Kapazitäten ausbauen und „die Sprache der Macht lernen“. Doch sich auf ein solches Weltbild des Kampfes aller gegen alle einzulassen wäre für das „kosmopolitisch-liberale Ordnungsmodell der EU ein Selbstmord aus Angst vor dem Tode“. 


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