© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Erasmus geht leer aus
Bundeshaushalt: Die AfD-nahe Stiftung erhält weiterhin keine staatlichen Fördermittel / Für die etablierte Konkurrenz gibt es sogar noch ein paar Millionen Euro mehr
Christian Vollradt

Nächtens um kurz nach ein Uhr am vergangenen Freitag stand es fest: Die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) geht bei der Vergabe von staatlichen Fördermitteln erneut leer aus. In der sogenannten Bereinigungssitzung haben die Mitglieder des Haushaltsausschusses die Globalzuschüsse für die parteinahen Stiftungen noch einmal gegenüber dem Regierungsentwurf um insgesamt mehr als 16 Millionen Euro erhöht. Doch teilen dürfen sich die Summe von 148 Millionen Euro wie bisher die sechs etablierten Profiteure. 

So bekommt die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in diesem Jahr rund 41 Millionen Euro, die liberale Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit rund 16 Millionen Euro, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die der CDU nahesteht, 45,6 Millionen, ihr christsoziales Pendant, die Hanns-Seidel-Stiftung, erhält 13 Millionen Euro, die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne) 15,6 Millionen Euro und die der Linkspartei nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung 15,7 Millionen Euro.

Diese Globalzuschüsse sind allerdings nicht die einzigen Fördermittel, die sie aus dem Bundeshaushalt bekommen. Daneben gibt es noch weitere Gelder aus dem Einzelplan des Bundesinnenministeriums sowie aus dem Haushalt des Auswärtigen Amts und des Entwicklungshilfe-Ministeriums. Damit wird seit 1967 die „gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit der Stiftungen gefördert“. Insgesamt erhöhte die Mehrheit des Haushaltsausschusses mit ihrem Beschluß die Zuschüsse um 29,3 Millionen Euro gegenüber dem Ansatz der Regierung.

„Widerspricht jeglichen rechtsstaatlichen Prinzipien“

Die AfD hatte am Donnerstagabend beantragt, die Gelder aller anderen parteinahen Stiftungen zu halbieren und der DES 7,854 Millionen Euro zukommen zu lassen. Der Bundeshaushalt wäre damit von 132 um 53 Millionen auf nur noch 79 Millionen Euro entlastet worden. Dies wurde abgelehnt. Laut Bundesverfassungsgericht sind an den Fördermitteln aus dem Haushalt gemäß der staatlichen Neutralitätspflicht „alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen zu beteiligen“. Dieses Kriterium gilt als erfüllt, sobald die der Stiftung nahestehende Partei zum wiederholten Mal in den Bundestag eingezogen ist, davon mindestens einmal in Fraktionsstärke. Dies ist seit dem Herbst vergangenen Jahres bei der AfD der Fall.

Doch um die DES weiterhin ausschließen zu können, ergänzten die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Grünen, FDP und Linkspartei den Haushaltsvermerk erstmals mit einem Zusatz. Darin heißt es, daß „Zuschüsse nur politischen Stiftungen gewährt“ werden, „die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, daß sie sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten“. Dann folgt eine Aufzählung der einzig in Frage kommenden Empfänger: „Angesichts ihrer bisherigen Tätigkeit wird bei folgenden Stiftungen die Verwendung zu verfassungsmäßigen Zwecken angenommen: Friedrich-Ebert-Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung, Hanns-Seidel-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung und Rosa-Luxemburg-Stiftung.“ 

Scharfe Kritik an dieser „Positivliste“ übte der haushaltspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Peter Boehringer. Damit maße sich der Haushaltsausschuß eine Beurteilung an, die allein der Judikative zustehe. Daß die Vergabe von Fördergeldern an die Bedingung der Verfassungstreue geknüpft wird, begrüßte er dagegen ausdrücklich. „Diesem Passus haben wir auch ausdrücklich zugestimmt“, so der AfD-Abgeordnete. Immerhin seien in der Vergangenheit gerade linke Parteien und Stiftungen gegen solche Extremismusklauseln stets Sturm gelaufen. „Hätte es diesen Vermerk bereits 1999 gegeben, hätte die Rosa-Luxemburg-Stiftung niemals staatliche Fördergelder bekommen dürfen“, meinte Boehringer.

Bereits im Vorfeld hatten mehrere juristische Experten einen politisch motivierten Ausschluß der DES kritisiert. „In dem Moment, in dem ein Verteilungskonflikt aufkommt, der gleichheitsrelevant ist, braucht es eine gesetzliche Grundlage“, betonte der Berliner Staatsrechtler Christoph Möllers laut Süddeutscher Zeitung. Der Staat dürfe über die AfD-nahe Stiftung „nicht einfach nach Gusto im Einzelfall entscheiden“, sondern müsse verbindliche Kriterien vorlegen und sich auf diese auch festlegen lassen. Bedenken haben auch die Politikwissenschaftler Claus Leggewie und Erik Meyer. Sie halten es rechtlich für schwierig, der parteinahen Sitftung der AfD staatliche Fördermittel vorzuenthalten. Ihr „Globalzuweisungen unter Berufung auf ihre vermeintlich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten politischen Ziele zu verweigern, wäre evident verfassungswidrig“, zitiert die taz aus einem Positionspapier der beiden Politologen. Auch der Greifswalder Professor für Öffentliches Recht Claus Dieter Classen nannte es im Deutschlandfunk „nach jetziger Rechtslage schwer, die Desiderius-Erasmus-Stiftung von einer Förderung auszuschließen“. Und dies einfach aus der Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz abzuleiten sei seines Erachtens zu simpel.

Schließlich hatte im März 2021 die damalige Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion ausdrücklich mitgeteilt, die Desiderius-Erasmus-Stiftung sei „rechtlich, personell, organisatorisch und finanziell unabhängig von der AfD“ und „kein Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz“.

Die aktuelle Entscheidung des Haushaltsausschusses, der DES die Fördermittel zu verweigern, „widerspricht jeglichen rechtsstaatlichen Prinzipien“, beklagte die Stiftungsvorsitzende, Erika Steinbach, unter Verweis auf die bisher geübte Praxis und die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts. Auf diese Weise werde eine bedeutende politische Kraft weiter ausgegrenzt. „Das ist mit meinem Verständnis von Demokratie nicht zu vereinbaren“, empörte sich die frühere Bundestagsabgeordnete im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Bereits im Februar hatte sie in dieser Angelegenheit einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Bundesverfassungsgericht gestellt. Eine Entscheidung in Karlsruhe steht noch aus.

 Kommentar Seite 2