© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Ländersache: Hessen
In Wiesbaden endet die Ära Merkel
Sandro Serafin

Als sich Volker Bouffier am Freitag aus dem Bundesrat verabschiedete, beschrieb sein Thüringer Amtskollege Bodo Ramelow „den Volker“ noch einmal in Zahlen: Über 23 Jahre war er Mitglied in der Länderkammer, er nahm an 130 Sitzungen teil. Am kommenden Dienstag will der dienstälteste Ministerpräsident, der 1982 erstmals in den Landtag eingezogen war, in Wiesbaden den Staffelstab übergeben. Mit Bouffier geht einer der letzten Vertreter des Systems Merkel. Auf viele hatte der Gießener schon länger angeschlagen gewirkt. Politisch war er in der Bundes-CDU in Bedrängnis geraten, weil er – von Annegret Kramp-Karrenbauer über Armin Laschet bis Helge Braun – ein ums andere Mal aufs falsche Pferd setzte. Er sei der Überzeugung, „daß das jetzt der richtige Wechsel in Hessen“ sei, begründet der 70jährige seinen Rückzug.

Vor allem hoffen die Christdemokraten, daß es der richtige Zeitpunkt ist: Im Herbst 2023 stehen Landtagswahlen an. Bouffiers Nachfolger, Boris Rhein, soll Zeit haben, sich den Hessen bekannt zu machen. Daß die Wahl auf den 50jährigen Frankfurter fiel, war nicht ausgemacht. Als Kronprinz hatte lange der frühere Finanzminister Thomas Schäfer gegolten, der sich aber 2020 das Leben nahm. Auch jetzt war Rhein nicht Bouffiers erste Wahl, heißt es.

Dabei lassen sich zwischen den beiden durchaus Gemeinsamkeiten ausmachen, vor allem, daß sie der politischen Linken wegen ihrer Innenpolitik einst als „Hardliner“ galten. Heute zeigt sich der zweifache Vater Rhein, der auch Mitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsunion ist, aber ideologisch flexibel. „Jünger, weiblicher und bunter“ soll die CDU auch nach seinem Willen werden. Zuletzt fiel Rhein durch einen Lobgesang auf die „blitzgescheite“ Marxistin Janine Wissler auf, deren „Schlagfertigkeit“ er als „Genuß“ pries, als Wissler in Richtung Berlin abzog. Politische Erfahrung hat Rhein reichlich: 1999 zog der Jurist erstmals in das Landesparlament ein. 2009 holte Bouffier ihn als Staatssekretär ins Innenministerium, das er im Folgejahr auch als Minister übernahm. Danach bekleidete er bis 2019 das Amt des Wissenschaftsministers, bevor er bei der jüngsten Regierungsbildung leer ausging. Dafür wurde er Landtagspräsident. Zwischendurch hatte Rhein zudem als Dezernent in Frankfurt und dort bereits 2006 mit einem schwarz-grünen Bündnis gearbeitet. Mit der Ökopartei, die seit acht Jahren auch im Land mit der CDU regiert, verbindet er allerdings nicht nur gute Erinnerungen: Als Rhein 2012 bei der Wahl zum Oberbürgermeister durchfiel, lag das auch an der fehlenden Unterstützung vom grünen Koalitionspartner. Dieses Mal haben die Grünen ihre Mitwirkung fest zugesichert. Die Koalition hat zwar nur eine Mehrheit von einem Sitz. Spekulationen, daß die Wahl im Landtag schiefgehen könnte, sind dennoch kaum zu vernehmen – auch weil Schwarz-Grün geräuscharm agiert und sich Demoskopen zufolge in Hessen großer Zufriedenheit erfreut. 

Ob sich Rhein indes auch bei den Bürgern behauptet, wird sich zeigen: Bei der Landtagswahl könnte er es mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser als SPD-Spitzenkandidatin zu tun bekommen. Sie dürfte darauf hoffen, die Umbrüche bei der CDU zu ihren Gunsten nutzen zu können.