© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Nicht kalt-, aber ruhend gestellt
Paul Rosen

Zum Bildersturm kommt es dann doch nicht. Zwar verliert Gerhard Schröder sein Büro im Bundestag, doch sein Porträt darf im Kanzleramt hängenbleiben. Allen Ernstes hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gefordert, das Werk des Malers Jörg Immendorf zu entfernen.  „Man sollte darüber nachdenken, ob nicht sein Porträt im Kanzleramt abgehängt werden soll“, hatte der CSU-Politiker erklärt und dies so begründet: „Schröder ist kein deutscher Interessenvertreter, sondern er ist ein russischer Söldner.“ Die Bildergalerie im Kanzleramt geht auf Helmut Schmidt zurück, der damit die „Kontinuität der Demokratie sichtbar“ machen wollte. Das Abhängen von Bildern und Entfernen von Namen erinnert hingegen an finsterste Sowjetzeiten.

Der Beschluß des Haushaltsausschusses zu Schröders Räumen hat es in sich. Das Büro im Bundestag soll „ruhend gestellt“, die Mitarbeiter sollen abgezogen werden. Die hatten sich allerdings ohnehin schon nach Kriegsausbruch versetzen lassen. Der wahre Grund, warum das längst verwaiste Büro Schröders „ruhend gestellt“ wird, nämlich seine Freundschaft zu Kreml-Chef Putin und seine Verbindungen zur russischen Wirtschaft, wird in dem Beschluß des Haushaltsausschusses, der auf einen Antrag von SPD, Grünen und FDP zurückgeht, nicht erwähnt. Statt dessen begründet die Koalition die Entscheidung damit, „daß Bundeskanzler a.D. Schröder keine fortwirkende Verpflichtung aus dem Amt mehr wahrnimmt“. Die Bundesregierung wird außerdem aufgefordert, dafür zu sorgen, „daß die Amtsausstattung ehemaliger Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler nach der fortwirkenden Verpflichtung aus dem Amt erfolgt und nicht statusbezogen“. 

Das heißt für die Zukunft, daß die jeweilige Regierung auch bei Altkanzlerin Angela Merkel oder bei Olaf Scholz, wenn er mal nicht mehr Regierungs-

chef ist, stets die nachwirkenden Verpflichtungen aufgrund der früheren Regierungstätigkeit zu prüfen haben wird. Im Ergebnis droht damit, daß Exkanzlern, die sich vielleicht zu stark ins Geschäft der Nachfolger einmischen oder öffentlich unliebsame Positionen vertreten, die Referentenstellen gekürzt oder sogar ihr Büro gestrichen („ruhend gestellt“) werden könnte.  

Nur die AfD-Abgeordneten im Haushaltsausschuß hatten auf diese Gefahr hingewiesen und in einem eigenen Antrag erklärt, einzelfallbezogene Maßnahmen, „die sich womöglich am ‘Wohlverhalten’ der ehemaligen Amtsträger orientieren“, widersprächen „den Prinzipien einer offenen Gesellschaft“. Die Fraktion wollte die Versorgung der Altkanzler und Ex-Bundespräsidenten in einem Gesetz und damit für alle gleich regeln lassen. Noch weiter als die Koalition wollte die Union gehen – und Schröder die Pension streichen. Beim Gehalt gehe es um Eigentumsansprüche, und deshalb sei so eine Streichung „verfassungsrechtlich höchst bedenklich“, widersprach SPD-Geschäftsführerin Katja Mast der Union. Da hat der Altkanzler ja noch mal Glück gehabt.