© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Nur Linke und Rechte stellen sich quer
Dänemark: In einem Referendum soll das dänischen Volk entscheiden, ob es verteidigungspolitisch näher an die EU heranrücken will
Josef Hämmerling

Reicht die Mitgliedschaft in der Nato aus oder sollte Dänemark auch noch in den Europäischen Sicherheitsverbund eintreten? Bislang gilt in dem deutschen Nachbarland noch der sogenannte Verteidigungsvorbehalt. Danach schließt sich Dänemark nicht den von der Europäischen Gemeinschaft beschlossenen Militärmaßnahmen an. Der Verteidigungsvorbehalt wurde 1993 eingeführt. Zuvor hatte eine knappe Mehrheit der Bevölkerung im Jahr davor gegen die Maastrichter Verträge zur Europäischen Union gestimmt. Erst nachdem die EU in Verhandlungen vier Vorbehalten zustimmte (Verteidigung, Münzunion, Rechtspolitk und europäische Staatsbürgerschaft) stimmte eine Mehrheit von 56,7 Prozent der Bevölkerung den Maastrichter Verträgen zu. „In Dänemark hat traditionell große Skepsis gegenüber einer europäischen sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit neben der Nato geherrscht“, begründete Anne Ingemann Johansen von der Süddänischen Universität in Odense die damalige Entscheidung. Ihr Forschungsfeld ist die EU als sicherheitspolitische Akteurin. „Im Licht unserer Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs ergibt es Sinn, dass wir das gute Verhältnis zu den USA (und damit der Nato) priorisiert haben, auf Kosten von etwas, das sich – aus dänischer Sicht – möglicherweise zu einer konkurrierenden europäischen Initiative entwickeln könnte“, so Johansen weiter. 

In einem Referendum soll nun am 1. Juni vom dänischen Volk entschieden werden, ob es bei dem Verteidigungsvorbehalt bleibt oder nicht.

Das Rennen wird immer knapper. Sah es laut einer Umfrage der öffentlich-rechtlichen dänischen Rundfunkanstalt DR vor einigen Wochen noch so aus, als ob das Ergebnis ein klares „Ja“ wird, hat sich der Wind zuletzt gedreht. 38 Prozent der Befragten waren für eine Aufhebung dieses Vorbehalts, 27 Prozent dagegen. Allerdings hatten auch damals schon 28 Prozent erklärt, vor allem jüngere Dänen, sie seien sich noch unsicher, wie sie am 1. Juni abstimmen werden. 

Alle rechnen mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen

Das Kristeligt Dagblad berichtete nun, daß neuen Umfragen zufolge ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einem sehr knappen Ausgang das wahrscheinlichste Szenario ist. Grund hierfür sind Äußerungen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die anregte, von der Zwangs-Einstimmigkeit der Entscheidungen der 27 EU-Staaten wegzukommen hin zu einer Mehrheitsentscheidung. Das war bei der dänischen Bevölkerung dem Blatt zufolge sehr negativ angekommen, da die „Ja“-Parteien immer wieder argumentiert hatten, daß Dänemark aufgrund des Veto-Rechts immer in der Lage sein werde, bestimmte Militäroperationen der EU ablehnen zu können. So erklärte dann ein EU-Sprecher auch schnell: „Die Kommissionspräsidentin hat die Verteidigung als einen Bereich genannt, in dem die EU aktiver sein sollte. Sie hat sich aber nicht für eine Änderung der Methode der Entscheidungsfindung im Verteidigungsbereich ausgesprochen.“ Vielmehr drehe es sich darum, ob eine Einstimmigkeit gegeben sein müsse, wenn es um Fragen der Steuerhinterziehung, Menschenrechte in China oder das russische Ölembargo gehe. 

Von den 13 Parteien im dänischen Parlament sprechen sich zehn für die Zustimmung zur Abschaffung des Verteidigungsvorbehalts aus. Nur die Einheitsliste – Die Rot-Grünen, die Dänische Volkspartei sowie die Neuen Bürgerlichen forderten mit „Nein“ zu stimmen.