© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Drei Monate Volksbelustigung mit Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket
Das kommende Chaos
Jörg Fischer

Die EU-Kommission will die Euro-Schuldenregeln bis Ende 2023 aussetzen. Nach Corona müssen nun der Ukraine-Krieg und die Sanktionen als Begründung herhalten. Danach bieten sich der „Marshallplan“ für den Wiederaufbau und die „Klimakrise“ als Begründung an. Auch die deutsche Schuldenbremse bleibt weiterhin gelöst. Für die beiden „Entlastungspakete“, die die Bundesregierung gnädigerweise ab 1. Juni für drei Sommer- und Urlaubsmonate öffnet, ist der Kredit-Tsunami allerdings nicht erforderlich.

Der Liter Benzin wird so um 35,2 Cent und Diesel um 16,7 Cent billiger, da die Energiesteuer auf die EU-Mindesthöhe abgesenkt wird und die anteilige Mehrwertsteuer darauf entfällt. Es ist also kein „Geschenk“, sondern der Fiskus langt nur nicht mehr so unverschämt hin. Sorgen um die Mindereinnahmen muß sich Christian Lindner kaum machen, denn der Tankrabatt dürfte die Kraftstoffnachfrage ankurbeln. Pessimisten warnen schon vor Chaos an der Zapfsäule, wenn Millionen Autofahrer am Mittwoch vor Pfingsten ihren leergefahrenen Benzintank auffüllen wollen. Auch die preislichen Auswirkungen des Ukraine-Schocks, höhere Margen bei Aral, Esso, Shell & Co., die Inflation und der schwindsüchtige Euro, der die Ölimporte zusätzlich verteuert, lassen die Mehrwertsteuereinnahmen spürbar anwachsen.

Die 2,5 Milliarden Euro für das sommerliche Neun-Euro-Ticket kosten die Bürger 30 Euro pro Kopf. Angesichts der sonstigen Ausgaben – der Bundeshaushalt 2022 ist auf die Rekordsumme von 495,8 Milliarden Euro angewachsen – ist das fast schon ein Schnäppchen. Doch was wird dafür geboten? Bundesweit lassen sich so der ÖPNV und die regionalen Eil- und Personenzüge der Bahn (RE/RB) nutzen. Die Fahrt von Hamburg nach München dauert so mehr als zwölf Stunden – bei vier- bis sechsmal Umsteigen. Fernzüge (ICE, IC, EC, EN, Flixtrain, Nightjet) oder Fernbusse dürfen damit nicht genutzt werden. Für Hunde und Fahrräder gibt es den Billigfahrschein nicht. Und das kommende Chaos kennen ältere Semester schon: Das „Schönes-Wochenende-Ticket“, das ab 1995 für anfänglich 15 D-Mark und fünf Reisende samstags und sonntags ausgelastete DB-Regionalzüge auf- und überfüllte, machte das Volk für wenig Geld mobil. Es wurde nicht ohne Grund 2019 (zuletzt 68 Euro teuer) abgeschafft.