© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Wieder Bummeln statt Stubenhocken
Modemarkt: Der Corona-Boom bei den Versendern ist vorbei / Wird der Dax-Konzern Zalando zum Übernahmekandidaten?
Martin Krüger

Ukraine-Krieg, gallopierende Inflation und drohende Zinserhöhungen, sparsamere Verbraucher und Rezessionsängste – das Hoch am Aktienmarkt scheint vorbei. Schwergewichte wie Linde, SAP, Siemens, Allianz, Airbus, Bayer, Telekom, Mercedes oder BMW müssen sich dennoch wenig Sorgen machen. Der erst im vergangenen September vom MDax in den Dax40 aufgestiegene Modeversender Zalando wird in Kapitalmarktkreisen hingegen schon als Übernahmekandidat angesehen. Als potentieller Käufer wird Inditex gesehen, zu dem die Marken Zara sowie Pull&Bear gehören.

Der spanische Konzern – Börsenwert etwa 65 Milliarden Euro – hat trotz der Corona-Folgen und den Rußland-Sanktionen neun Milliarden Euro angehäuft. Und das, obwohl die Käufer sich aufgrund der hohen Inflationsrate bei ihrem Konsumverhalten zurückhalten. Das spiegelt sich auch in den Börsenkursen wider. So hat seit Januar die Inditex-Aktie mehr als 25 Prozent verloren – der Zalando-Kurs sich sogar halbiert. Zalando hatte in der Vergangenheit mit Umsatzzuwächsen von 25 Prozent deutlich besser abgeschnitten. Aktuell rechnet der Berliner Dax-Konzern mit einem Wachstum am unteren Ende der prognostizierten Spanne von zwölf bis 19 Prozent.

Doch im Mai mußte Europas größter Online-Modehändler den ersten Umsatzrückgang in der Firmenhistorie vermelden. Aufgrund hoher Ausgaben für den Ausbau des Logistiknetzes und Marketing ist Zalando im ersten Quartal zudem mit einem bereinigten Betriebsverlust von rund 52 Millionen sogar in die roten Zahlen gerutscht. Im ersten Quartal 2021 waren es noch plus 93 Millionen Euro. Die verschlechterten Ergebnisse und Gewinnaussichten haben mehrere Ursachen. So bummeln modebewußte Käufer nach zwei Jahren Corona-Einschränkungen wieder durch stationäre Geschäfte. Und die Konkurrenz kopiert das Plattformgeschäft von Zalando. Firmen wie die frühere Otto-Tochter About You, H&M oder Asos und Boohoo aus England mischen jetzt mit.

Auch der Wunsch der „grünen“ Kundschaft nach Nachhaltigkeit drückt auf den Gewinn. Händler, die gebrauchte Markentextilien anbieten, sind da im Vorteil. Der Strategiewechsel weg von kostenfreier Lieferung und Rücksendung und hin zu Mindestbestellwerten kommt bei preisbewußten Kunden schlecht an. Aktienanalysten sehen dagegen die Kundentreue und das zunehmende Plattformgeschäft als positive Aspekte. Problematisch sind die höheren Rücklaufquoten und die Überbestände bei T-Shirts und Wäsche. Außerdem sei der durchschnittliche Einkaufswert um zwei Prozent auf 56,50 Euro gesunken.

Fast 7.000 Läden verkaufen über die Zalando-Plattform

Ein Lichtblick bleibt für Zalando der wohl gesicherte Verbleib im Dax. Das Zalando-Geschäftsmodell scheint solider als das der beiden anderen Berliner Dax-Kollegen, die Großstadtlieferdienste HelloFresh und Delivery Hero. Zuletzt war Zalando nach Marktkapitalisierung auf Platz 31 der 40 Dax-Unternehmen. Die Deutsche Börse AG entscheidet am 3. Juni neu über die Auf- und Absteiger im deutschen Leitindex.

Als wichtigste Maßnahmen verkündete Zalando-Vorstand Robert Gentz, daß sowohl Einkauf wie auch die Kostenstruktur optimiert würden. Darüber hinaus würden die gestiegenen Versandkosten an die Logistikdienstleister weitergegeben. Gründe für die schlechte Marge sieht der 38jährige Manager insbesondere in dem höheren Marketingaufwand und den zugleich gestiegenen Logistikkosten. Außerdem soll bis 2025 die Hälfte des Bruttowarenvolumens über Partner generiert werden. Aktuell sind das 30 Prozent. Fast 7.000 Läden verkaufen europaweit über die Zalando-Plattform.

In 13 von 23 Märkten, in denen Zalando aktiv ist, verkaufen Geschäfte ihre Kleidungsstücke über Zalando. Nachdem diese während der Corona-Pandemie keine Kommission bezahlen mußten und danach in einer Übergangsphase geringere Gebühren fällig wurden, werden nun wieder die vollen Beträge verlangt. Reizvoll für Inditex wäre der Kauf nicht nur, um einen bekannten deutschen Konkurrenten zu schlucken, sondern auch um das technische Know-how einzukaufen. Anfang Juli 2021 hatte die seit 2014 börsennotierte Zalando-Aktie ihren höchsten Kurs mit 105,90 Euro erreicht. Vorigen Freitag notierte Zalando bei unter 37 Euro. Ein Schnäppchen – oder sollten die Spanier warten, bis der nächste Kursrutsch kommt?

Zalando-Quartalsmitteilung: corporate.zalando.com

Foto: Kundin mit Zalando-Tüten: Der deutsche Einzelhandel hofft auf mehr Umsatz in seinen Läden