© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Die Netzzensoren rüsten international auf
Mit Spyware eingedeckt
(dg)

Zensur im Netz? Damit assoziiert heute jedermann US-Technologiegiganten wie Facebook, Youtube und Twitter. Nicht zu Unrecht, und doch bildet ein solches in der Nachbarschaft von Verschwörungsideologien siedelndes „Vorurteil“ die Realitäten im Weltnetz nur sehr unscharf ab. Das meint Kian Vesteinsson, „Research Analyst für Technologie und Demokratie“ bei der Nichtregierungsorganisation Freedom House. Denn sowohl demokratische wie autoritäre Regierungen kontrollieren mittlerweile immer stärker, wie Techkonzerne Online-Inhalte gestalten und Nutzerdaten sammeln. Nach dem jüngsten „Freedom on the Net“-Bericht seiner NGO arbeiteten allein im Jahr 2020 mindestens 48 Länder an neuen Vorschriften für den Technologiesektor. Viele dieser Gesetze sollen und können auch Unternehmen dazu zwingen, staatliche Überwachungs-, Zensur- und Kontrollmaßnahmen zu tolerieren. So haben sich staatliche Stellen nicht nur in China mit einer Vielzahl neuer Instrumente zur Social-Media-Überwachung eingedeckt und sich Spyware verschafft, die eine detaillierte Auswertung von Netz-Inhalten „in gewaltigem Ausmaß“ erlaube. Daß die freie Meinungsäußerung im Netz dadurch ernsthafter bedroht ist denn je, sei nicht nur ein Gefühl, sondern statistisch belegt: 75 Prozent aller Internetnutzer leben derzeit in einem Land, in dem mindestens eine Person festgenommen wurde, weil sie politisch, religiös, sozial oder kulturell von der  „herrschenden Meinung“ abweichende Ansichten gepostet hatte. 2021 habe sich auch Indien, die größte Demokratie der Welt, mit einer beispiellosen „Regulierungswelle“ unter die global führenden Zensurstaaten eingereiht (Kulturaustausch, 1/2022). 


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