© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Mit Zufallsbekanntschaften ist es ja immer so eine Sache. Sie können sich als glückliche Fügung erweisen – oder als das Gegenteil davon. Staunenswert sind sie in beiden Fällen. Neulich geriet ich zu vorgerückter Stunde mir nichts, dir nichts in eine bunt zusammengewürfelte Lokalrunde. Die meisten schienen sich zu kennen, einige hatten sich aber offenbar längere Zeit nicht gesehen. Wir plauderten über dieses und jenes belanglose Zeug, bis es auf einmal politisch wurde. Die beiden Reizthemen: Corona-Impfen und Zuwanderung. Fortan spitzte ich hauptsächlich die Ohren, hielt mich mit eigenen Meinungen zurück – und war zunehmend verblüfft. Eine 72jährige Lesbe – Alter und sexuelle Orientierung teilte sie selbst freimütig mit – entpuppte sich als ungeimpfte „Querdenkerin“ (ihre eigene Bezeichnung), die aus Protest gegen die staatlichen Maßnahmen der Basisdemokratischen Partei Deutschland (kurz: dieBasis) beigetreten sei. Und zwei polnische Frauen etwa um die Fünfzig wetterten gegen den ungezügelten Zustrom von Zuwanderern, die jeden Respekt vermissen ließen. Daß am Nebentisch zwei dem äußeren Anschein nach kulturfremde Männer saßen, schien sie dabei nicht im geringsten zu stören.

Die konzertlose Zeit endet: Endlich einmal Rammstein live erleben, womöglich ist es ja die letzte Gelegenheit.

In der vorigen Woche berichtete die JUNGE FREIHEIT auf ihrer Netzseite über von der linken Szene angekündigte „Chaostage“ auf Sylt in diesem Sommer. Mit dem von der Bundesregierung initiierten 9-Euro-Ticket wollen „Antifaschisten“ der Insel einen Besuch abstatten und für „Krawall“ sorgen (JF online vom 16. Mai). In der Zeit lese ich einige Tage später dazu im Rahmen eines „Streitgesprächs“ mit einem Sylter Tourismusunternehmer einen Gastbeitrag der Bundessprecherin der Linksjugend Solid, Isabella Wolbart, der mir die Sprache verschlägt: „Die Idee von Sylt muß zerstört werden. Urlaub muß klassenlos werden. Jeder Mensch hat das Recht, sich von seinem Arbeits-, Armuts- und Haushaltsstreß zu erholen. Jeder sollte sich einen Urlaub auf Sylt leisten können.“


Große Vorfreude: Nach über zwei Jahren Corona-Pandemie endet kommende Woche für mich die konzertlose Zeit gleich mit einem zweifachen Paukenschlag. Am Dienstag tritt die britische Heavy-Metal-Legende Judas Priest im Huxleys auf und zelebriert ihr 50jähriges Bandjubiläum. Und am Sonntag darauf ist es mir vergönnt, endlich einmal Rammstein live zu erleben. Auf ihrer Stadiontournee gastiert die Band um Sänger Till Lindemann im Berliner Olympiastadion. Womöglich ist es ja die letzte Gelegenheit. In den sozialen Medien und auf Klatsch-und-Tratsch-Portalen kochen jedenfalls seit dem kürzlich erschienenen Album „Zeit“ (JF 19/22) die Gerüchte hoch, die Band könne ans Aufhören denken. So heißt es in dem letzten Refrain des letzten Liedes vordergründig zwar für einen Verstorbenen, aber vielleicht auch mit doppeldeutiger Botschaft: „Adieu, Goodbye, Auf Wiedersehen/ Den letzten Weg mußt du alleine gehen/ Ein letztes Lied, ein letzter Kuss/ Kein Wunder wird geschehen/ Adieu, Goodbye, Auf Wiedersehen/ Die Zeit mit dir war schön.“