© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Blick in die Medien
„Zeit“ verschafft Bankster Zeit
Tobias Dahlbrügge

Daß Journalisten über kriminelle Banken berichten, ist normal. Daß ein Journalist aber einen mutmaßlich kriminellen Banker vor dem Erscheinen peinlicher Enthüllungen warnt, ist eher ungewöhnlich. Wenn es sich dann noch um den Mitherausgeber der angesehenen Zeit handelt, darf man mehr als erstaunt sein.

Josef Joffe hatte es als Topjournalist geschafft: In den 70ern startete er bei der Zeit, ging dann als Ressortleiter zur Süddeutschen Zeitung. Zurück in Hamburg wurde er Chefredakteur und Mitherausgeber der größten deutschen Wochenzeitung. Nun ist er suspendiert. Und alles wegen eines persönlichen Briefes: Den schrieb er 2017 an seinen Freund, den Hamburger Privatbankier Max Warburg. Dieser stand unter Verdacht, in betrügerische „Cum-Ex“-Geschäfte verwickelt zu sein. Dabei geht es um die „Rückforderung“ nie gezahlter Steuern in Milliardenhöhe.

In infantiler Sprache und mit plattem Youtube-Geschichtswissen berichten Jungreporter „Unfaßbares“.

Joffe schrieb: „Ich habe Dich gewarnt, was in der Pipeline steckte, und meiner Intervention war es zu verdanken, daß das Stück (gemeint ist ein Artikel über Warburgs Machenschaften) geschoben wurde und die Bank Gelegenheit erhielt, Widerrede zu leisten“. Dafür soll die Warburg-Bank der Zeit teure Anzeigen in Aussicht gestellt haben.

Hat Joffe also die Enthüllung absichtlich verschleppt, um seinem Freund einen Gefallen zu tun und seine krummen Geschäfte zu decken, damit er Zeit hat, sich aus der Schußlinie zu manövrieren? Der Spiegel las das so und veröffentlichte den Brief, worauf Joffe von der Zeit umgehend in den Ruhestand versetzt wurde. Seinen Kumpel Warburg verurteilte das Hamburger Landgericht zu dreieinhalb Jahren Haft.

Die „Whistleblower“ in der Bank, die Ermittler auf die kriminellen Cum-Ex-Deals stießen, nannte Joffe in seinem Brief „Verräter“. Seltsame Einstellung für einen „Qualitätsjournalisten“.

Die Affäre enthält auch politische Verstrickungen: Banker Warburg war Chef der Helmut-und-Loki-Schmidt-Stiftung, seine Schwester ist mit dem früheren SPD-Kulturstaatsminister und jetzigen Zeit-Chefredakteur verheiratet – Joffes Mitherausgeber Michael Naumann.