© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Gegengewicht zu Schneeflöckchen
Rolf Stolz über den „scharfen Satiriker“ Wilhelm Busch
Werner Olles

Die literarische Erinnerung von Rolf Stolz an den Künstler und Autor Wilhelm Busch mag in Zeiten der Unsicherheiten, Pandemien und Kriege manchen Leser überraschen, zumal Buschs 200. Geburtstag erst in zehn Jahren begangen wird. Älteren wird vor allem der Zeichner noch geläufig sein, aber Busch war außerdem ein klarsichtiger und scharfzüngiger Dichter, dessen kurzweilige Lyrik auch uns Heutigen noch viel zu sagen hat. 

Stolz nennt ihn einen „zutiefst hintergründigen und spirituellen Autor“ und „einen kritischen Realisten, der vom wirklichen Leben ausgeht und nicht von Wunschträumen, die den gerade Herrschenden ins Konzept passen, oder die ausweichen in utopische Luftschlösser eines neuen Menschen und einer paradiesisch gerechten neuen Welt“. Dennoch habe er trotz seiner prinzipiellen philosophischen Nüchternheit mit Werken wie „Schmetterling“ und „Eduards Traum“ Meisterwerke der Phantastischen Literatur geschaffen. In diesem Zusammenhang kritisiert er den „katholischen Gutmenschen“ Heinrich Böll, den sich die Grünen zum „Schutzpatron“ ihrer Stiftung auserkoren hätten, der jedoch „literarisch eher zweitrangig“ sei. Es wäre anzumerken, daß vor allem der frühe Böll sehr wohl gute Literatur geschrieben hat – erst in seiner Spätphase wurde er trivial und zeitgeistig –, und er höchstwahrscheinlich angesichts des geistigen Zustands der heutigen Grünen in seinem Grab rotieren würde.

Der Autor sieht Busch als „scharfen Satiriker“, der ein wirksames Gegengewicht zu beleidigten Schneeflöckchen, Mini-Minderheiten, Heuchlern und notorischen Dummköpfen darstelle. Zwar sei er „eine in sich widersprüchliche Persönlichkeit“ gewesen, doch hätten Kindheitstraumata wie die Abtrennung von Eltern und Heimat lebenslang auf ihn eingewirkt. Der ewige Junggeselle „mit einer zumindest dubiosen Nähe zu einer verheirateten, mütterlichen Mäzenin“, der die meiste Zeit mit nahen Verwandten verbrachte, hatte eine eindeutig protestantische Prägung durch ein „ebenso grundsatztreues wie pragmatisches Lutheranertum“, die katholische Fixierung auf Papst und Priester blieb ihm zeit seines Lebens fremd. Ein Asket war er nicht, eher ein Mann der Extreme, die er im Rauchen bis zur Nikotinvergiftung und im rauschhaften Trinken auslebte. 

Buschs einprägsame Verse und originelle Zeichnungen sprechen vor allem jene an, die sich weder mit „mit billigem Gejammer oder ebenso billigem Gelächter zufriedengeben“. Doch lassen wir den „Ahnherrn der Comic-Strips“ selbst zu Wort kommen: „Mit allen Kreaturen bin ich / In schönster Seelenharmonie. / Wir sind verwandt, ich fühl es innig, / und darum lieb ich sie“.

Rolf Stolz: Die Schärfe des Lachens: Wilhelm Busch. Edition Buchhaus Loschwitz, Dresden 2021, gebunden, 147 Seiten, 17 Euro