© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Umwelt
Inflation: Bio bricht ein
Tobias Dahlbrügge

Ob fürs Bio- und Tierwohl-Siegel, regionale Erzeuger oder den Regenwald: Viele Verbraucher waren bereit, beim Lebensmitteleinkauf für höhere Standards tiefer in die Tasche zu greifen. Doch gestörte Lieferketten, Inflation und kriegsbedingte Versorgungsengpässe haben für einen Wandel gesorgt: Preisschocks an Tankstellen und Supermarktkassen machen die Konsumenten deutlich knauseriger. Wer seine Strom- und Gasrechnung kennt, überlegt sich zweimal, ob er für sein Bio-Ei oder das Demeter-Fleisch noch den enormen Aufpreis bezahlen kann. Und viele Händler spüren das schon: Biomärkte erleben aktuell einen deutlichen Umsatzrückgang, das meldet der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN). Im ersten Quartal 2022 lagen die Einnahmen weit unter dem Vorjahreszeitraum: Im Januar sanken die Tagesumsätze um zehn Prozent, im März um mehr als 18 Prozent. Der Rückgang traf auch den Bio-Großhandel.

Die beliebte Branche war jahrelang kontinuierlich im Aufwind, doch nun gibt es spürbare Einbußen.

Die Kunden wichen anscheinend auf die Bio-Eigenmarken von Aldi, Edeka, Lidl & Co. aus, denn deren Umsätze stiegen um elf Prozent. Da die Bio-Branche zuvor über viele Jahre kontinuierlich im Aufwind war, relativiert sich die Einbuße jedoch. Besonders während der Corona-Lockdowns profitierte die Bio-Branche davon, daß viele Verbraucher zu Hause speisten und dabei öfter zu ökologischen Erzeugnissen griffen. BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel warnt nun: Würden weiterhin weniger Bioprodukte gekauft, sei der Klimaschutz in Gefahr – und daher sollte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer für Bio-Gemüse streichen. Bei Bio-Fleischprodukten solle sie gesenkt werden. Ansonsten sei das Politikziel, den Bio-Anteil am Lebensmittelhandel bis 2030 auf 30 Prozent zu steigern, nicht erreichbar. Der Marktanteil lag 2021 bei knapp sieben Prozent, das entspricht etwa zehn Prozent der Anbaufläche. Die meisten deutschen Konsumenten dürften momentan allerdings ganz andere Sorgen haben.