© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Aus Schaden nichts gelernt
Ohne Skrupel setzen grün-linke Kommunen ihr bereits einmal gescheitertes Parklet-Programm um
Curd-Torsten Weick

Bündnis 90/Die Grünen in Heidelberg sind in ihrem Element. „Oase statt Parkplatz: Pop-up-Parklet in Bergheim“, jubilieren Derek Cofie-Nunoo und Manuel Steinbrenner in einem Stadtblatt-Artikel vom 18. Mai. „Bei herrlichem Sonnenschein mit den Nachbar*innen einen Kaffee trinken, im Liegestuhl Zeitung lesen, in der Hängematte chillen – und das an der Straße direkt vor der eigenen Haustür? Das ist möglich!“, schwärmen die beiden Grünen und verweisen auf das grüne Pilotprojekt „Parklets“. „Bürger*innen“ können hier einen Antrag stellen, um in der Saison 2022 (April bis Oktober) einen öffentlichen Parkplatz oder einen öffentlichen Freiraum in ihrer Straße als Erholungsort einzurichten. 

Um auf ihr Lieblingsprojekt aufmerksam zu machen, hatten die Grünen auf einem Parkplatz in der Bergheimer Straße ein temporäres „Pop-up-Parklet“ aufgebaut: „Pflanzen, Stühle, Tische, Hängematte – statt Asphalt und parkende Autos“. Das Parklet sei bei den „Bürger*innen sehr gut angekommen“, betonen Cofie-Nunoo und Steinbrenner und kommen zu dem Schluß, daß ihre Aktion deutlich mache, daß auch Orte an einer vielbefahrenen Straße mit überschaubarem Aufwand aufgewertet und lebendig gestaltet werden könnten. „Denn Parklets machen den öffentlichen Raum attraktiver, erhöhen die Aufenthaltsqualität in der Stadt und leisten einen Beitrag zum Klimaschutz.“

Das erste dieser „Parklets“ wurde nun am 21. Mai am Langen Anger 60 eingeweiht. „Wir wollen innovativen Verkehrskonzepten wie in Barcelona, Kopenhagen und Berlin folgen und über die mögliche Umsetzung in Heidelberg nachdenken“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt Heidelberg. Der Treff im „Parklet“ schaffe öffentlichen Raum, wo zuvor Parkplätze waren, und diene als Plattform, um Menschen zusammenzubringen. 

Bund der Steuerzahler spricht von eklatanter Steuerverschwendung

Berlin hat da gerade ganz andere Erfahrungen gemacht. Im März 2018 hatte der grüne Stadtrat Florian Schmidt und die parteilose Verkehrssenatorin Regine Günther ein Parklet-Pilotprogramm in der Kreuzberger Bergmannstraße durchgesetzt. Kostenpunkt: 120.000 Euro. Bis November 2019 sollten die Anwohner Zeit bekommen, um sich an ihre umgebaute Straße zu gewöhnen. Doch von denen seien „meist nur Beschwerden über vermehrten Müll und Ruhestörungen durch nächtliches Partyvolk“gekommen, berichtete die B.Z.

Bereits im Juli 2019 hatte die Berliner Polizei über den Mißbrauch von Parklets in der Berliner Bergmanntraße amüsant getwittert: „Wenn jemand einen auf Hobby-Gärtner macht & die Parklets in der Bergmannstraße als Hochbeete für illegales Urban-Gardening mißbraucht, werden unsere Kollegen vom A52 zum amtlichen Erntehelfer.“

Schon Mitte Mai 2019 hatte der Bund der Steuerzahler Berlin (BdSt) die Errichtung der Begegnungszonen heftig kritisiert. „Parklets für Hunderttausende von Euros landen nach ein paar Monaten zum Verrotten auf Werkhöfen. Während woanders die Gehwege kaum noch begehbar sind!“ erklärte der BdSt-Vorsitzende Alexander Kraus. 

Erst dann zog die Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung (BVV) die Notbremse und erklärte: „Mit dem Ende der Testphase im August 2019 werden die Sitzparklets sowie die grünen Punkte entsprechend der Beschlußlage der BVV entfernt.“ Laut Steuerzahlerbund verursachte die Einrichtung der Begegnungszone Bergmannstraße 883.000 Euro Gesamtkosten.

Doch als wäre3 nichts gewesen, startete die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUMVK) Mitte Juli 2021 ihr neues Parklet-Programm – natürlich mit Friedrichshain-Kreuzberg als Pilotbezirk. „Parklets sind Orte der Begegnung, der Ruhe und oft auch Oasen des Stadtgrüns. Sie geben den Menschen wieder mehr Raum in ihrer Nachbarschaft. Das Förderprogramm soll das Zusammenleben in den Kiezen unterstützen. Es ermöglicht den Berlinerinnen und Berlinern, die Mobilitätswende mitzugestalten“, betonte der grüne Verkehrs-Staatssekretär Ingmar Streese. Die Senatsverwaltung fördert den Bau von bis zu 100 Parklets mit einem Gesamtvolumen von bis zu 350.000 Euro. 

Vergangene Woche eröffneten Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Bündnis 90/Die Grünen) und Bezirksverkehrsstadträtin Annika Gerold (Bündnis 90/Die Grünen) die im Rahmen des Berliner Parklet-Förderprogramms von zwei Initiativen und Hausgemeinschaften gebauten Kiez-Parklets in Friedrichshain-Kreuzberg „feierlich“. Bis Mitte des Jahres sollen von Initiativen, Vereinen und öffentlichen Einrichtungen etwa 65 Kiez-Parklets gebaut und auf Berlins Straßen gesetzt werden. 

Der Verein NaturFreunde Berlin e.V., der sich gern aktiv in „antifaschistischen, friedenspolitischen und antirassistischen Bündnissen“ engagieren, und Berlin 21 e.V. betreuen die Durchführung des Programms und haben standardisierte Parkletbauformen entwickelt. Jede Initiative wird mit durchschnittlich 3.100 Euro – der Gesamtetat für das Pilotprojekt liegt nun bei 200.000 Euro – gefördert. 

Am Förderprogramm nehmen zur Zeit die  Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf teil. Manche Bezirke machen nach Angaben der B.Z. bewußt nicht mit. „Spandau steht kurz vor dem Verkehrskollaps. Angesichts des massiven Wohnungsbaus brauchen wir mehr Kapazitäten auf der Straße und nicht weniger“, zitiert die Zeitung CDU-Baustadtrat Thorsten Schatz: „Ich werde nicht mit Parklets dazu beitragen, Berlins Ruf als Stau-Hauptstadt zu verschlimmern.“

Foto: Im Aufbau befindliches Kiez-Parklet in der Lausitzer Straße in Berlin-Kreuzberg: Eine Oase für die Grünen und eine Sorge mehr für die Parkplatzsuchenden