© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/22 / 27. Mai 2022

Kabinenklatsch
Sport muß Sport bleiben
Ronald Berthold

In einem Monat beginnt das legendäre Turnier in Wimbledon. Seit Kindesbeinen ist das für mich die inoffizielle Tennis-Weltmeisterschaft. Stolz wie Bolle war ich, als ein 17jähriger Deutscher auf dem „heiligen Rasen“ gewann. Alle Spiele von Boris Becker hatte ich gesehen. Unvorstellbar war für mich, daß dieses Turnier mal in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Doch nun ist es geschehen. Dieses Jahr hat es nicht mehr Wert als ein Fußball-Freundschaftsspiel gegen Malta. Glauben Sie nicht? Ist aber so. Kein einziger Punkt für die Weltrangliste wird dort vergeben.

Das haben sich die Organisatoren selbst zuzuschreiben. Sie schlossen russische und weißrussische Spieler aus. Darunter sind der Weltranglisten-Zweite Daniil Medvedev und die einst beste Tennisspielerin des Planeten, Aryna Sabalenka. Weil Putin Krieg in der Ukraine führt, dürfen sie nicht nach London. Dafür kann sich der Weltranglisten-Erste und Titelverteidiger Novak Djokovic aus Serbien glücklich schätzen, daß er auch ohne Corona-Impfung antreten darf. 

Wahrscheinlich fühlten sich die Wimbledon-Organisatoren moralisch überlegen und hofften auf weltweiten Beifall. Statt dessen hagelt es Kritik. Und der Weltverband handelt nun. Denn für die ATP-Tour sei es unverzichtbar, daß „Spieler jeder Nationalität an Turnieren auf der Grundlage ihrer Leistung und ohne Diskriminierung teilnehmen“ können. Alles andere „untergräbt die Prinzipien und die Integrität des ATP-Ranglistensystems“. Daher habe man entschieden, Wimbledon die Ranglistenpunkte zu entziehen. Richtig so. Sport muß Sport bleiben. Und Fairplay, auf das sich die Engländer so viel einbilden, sollte endlich wieder über politischen Symbolakten und Sippenhaft stehen.