© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

In der Endlosschleife
Lauterbach und Corona: Das Gesundheitswesen benötigt Reformen – doch der Minister kennt nur ein Thema
Michael Paulwitz

Unter den zahlreichen Fehlbesetzungen, mit denen die Ampel-Koalition die Regierungsbank gefüllt hat, gehört Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zweifellos zu den nervenzehrendsten. Während der Rheinländer sich mit monomanischer Penetranz als Anheizer und Verwalter der Corona-Panik inszeniert, stapeln sich in seinem Ministerium die ungelösten Probleme und versäumten Reformen.

Freilich ist nachvollziehbar, warum Karl Lauterbach sich verzweifelt an die „Pandemie“ klammert und hartnäckig dem längst gebotenen Übergang zur Normalität verweigert. Hat ihm doch die von gezielt geförderten Angststimmungen und hysterischen Ausbrüchen getragene Corona-Maßnahmenpolitik in den vergangenen zwei Jahren eine einzigartige Karriere ermöglicht.

Sein dauerbesorgtes Raunen und sein mit der Pose der „Wissenschaft“ zelebriertes Winken mit zahllosen eigenwillig interpretierten „Studien“ lieferte die perfekte Begleitmusik zur ängstlich-autoritären Corona-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das machte Lauterbach zum Dauergast in den Fernseh-Palaversendungen und auf diesem Umweg vom eigenbrötlerischen Hinterbänkler zum Bundesminister. 

Ohne seine Medienprominenz in der Corona-Krise wäre Karl Lauterbach der sonderbare Pharma- und Privatkliniken-Lobbyist aus den hinteren Sitzreihen geblieben, der neben seinen skurrilen Ernährungsmarotten vor allem als Verfasser fragwürdiger Gutachten und Rationalisierungspläne aufgefallen war. Ein Mann, dem seine eigene Fraktion vorher nicht einmal das Amt des gesundheitspolitischen Sprechers anvertrauen wollte; der sich schon bei der Regierungsbildung nach der Bundestagswahl von 2013 vergeblich nach dem Ministersessel gestreckt hatte, aber nicht einmal in die engere Wahl gezogen worden war.

Von daher seine fortgesetzten Unkenrufe im Dauerwarnmodus, die der Wahrnehmung nicht nur vieler Bürger, sondern auch eines großen Teils der Fachwelt diametral entgegenstehen, und sein Drängen auf neue Ermächtigungen für willkürliche Grundrechtseinschränkungen. 

Maskenpflicht und Impfzwang sind für ihn der Fetisch einer Pandemie, die nicht vergehen soll. Dagegen scheut Lauterbach, der sich rechthaberisch als Vollstrecker der „Wissenschaft“ geriert, die unvoreingenommene und ergebnisoffene Aufarbeitung der verfügten Grundrechtseinschränkungen und Zwangsmaßnahmen. Ginge es nach ihm und den bislang tonangebenden Stichwortgebern, würden sie einfach evidenzfrei fortgeschrieben.

Die sich erhärtenden Belege für mangelnde Wirksamkeit und gravierende Schäden der mRNA-Impfungen nimmt er ebensowenig zur Kenntnis wie ernsthafte Bestandsaufnahmen berufener Fachleute und Gremien, welche die verheerenden ökonomischen, bildungspolitischen und seelischen Auswirkungen von Lockdowns, Maskenzwang und Schulschließungen vor allem auf Kinder und Jugendliche festhalten. Den empirischen Vergleich mit anderen Ländern, die wie das von ihm geschmähte Schweden mit milderen Maßnahmen besser durch die Krise gekommen sind, verweigert er schlicht.

Jenseits eines harten Kerns, der an seinen Lippen hängt wie Sektengläubige, ist Lauterbachs Ruf schon empfindlich angeschlagen. Genüßlich spießen Kritiker seine Selbstwidersprüche und unverständlichen Einlassungen auf, selbst seine früheren Verbündeten, die TV-Moderatoren, führen ihn vor. Einst folgsame Medien wie der Tagesspiegel stellen nun unbequeme Fragen nach bei näherer Hinsicht kaum vorhandenen Belegen für seine akademische Kompetenz. Unübersehbar auch seine Überforderung als Leiter eines für das soziale Gefüge im Land wichtigen Ministeriums. In den wenigen Monaten seiner Amtszeit hat der 59jährige bereits Material für mehrere Ministerrücktritte gesammelt. 

Am schwersten wiegt die Veruntreuung von Steuergeldern in Milliardenhöhe für unnötige Impfstoffbestellungen. Die bei Amtsantritt von ihm mit viel Getöse konstatierte „Impfstofflücke“ erwies sich als nicht existent, seine Nachbestellungen als grotesk überdimensioniert. Lernresistent schickt Lauterbach sich an, das Fehlkauf-Desaster mit dem aufgebauschten Phänomen der „Affenpocken“ sogar noch zu wiederholen. Ungeniert bekennt er im ZDF, lieber Milliarden in den Sand zu setzen, als „zu wenig“ Impfstoff zu haben.

Das freut die Pharmaindustrie, dem Gesundheitssystem erweist der Minister damit einen Bärendienst. Unverständlich, daß er mit seinen Fehlleistungen bislang davonkommen konnte. Noch unverständlicher, daß die Bundesregierung ihm dafür sogar noch mehr Steuergeld anvertrauen will. 64,4 Milliarden Euro soll sein Rekord-Etat im neuen Haushalt umfassen. Der Löwenanteil ist wieder für die Corona-Politik vorgesehen. Weitere Milliarden sollen für anlaßlose Massentestungen von fraglichem Nutzen aufgewendet werden. Mehr als dreizehn Milliarden Euro hat diese Praxis den Steuerzahler bereits gekostet, mindestens ein Zehntel davon ist geschätzt in dunklen Kanälen versickert. 

Schon mit diesem Geld hätte man im krisengeschüttelten und reformbedürftigen deutschen Gesundheitswesen, dessen künftige Finanzierung demographiebedingt auf wackeligen Beinen steht, viel Gutes bewirken können. Die Corona-Jahre haben die strukturellen Defizite schmerzlich zutage gefördert. Nicht Corona hat die Krankenhäuser an die Grenze der Belastbarkeit gebracht, sondern chronischer Personalmangel, schlechte Bezahlung und Profitmaximierungsdruck durch ein verfehltes Abrechnungssystem. Überzogene Corona-Maßnahmen und Quarantäne-Vorschriften und besonders die unselige Pflege-Impfpflicht haben diese Faktoren noch dramatisch zugespitzt. Ungelöst und in der Dimension weitaus dramatischer als die Corona-„Pandemie“ ist auch das Problem der Infektionen und Todesfälle durch multiresistente Krankenhauskeime.

Viel zu tun für einen Gesundheitsminister; doch der beschäftigt sich weiter allein mit seinem Corona-Steckenpferd. Währenddessen legt in seinem Heimat-Bundesland NRW ein großflächiger Streik des überlasteten Pflegepersonals die Kliniken lahm. Auch der Ärztetag schägt Alarm und rebelliert gegen das ruinöse System der Fallpauschalen-Abrechnung. 

Dessen Architekt ist kein anderer als wiederum Karl Lauterbach, der vor zwei Jahrzehnten der Gesundheitsministerin der rot-grünen Bundesregierung die Vorlagen schrieb. Mit Karl Lauterbach hat die Ampel-Koalition in kritischer Zeit den Bock zum Gärtner gemacht. Eine fatale Personalie, die im Interesse der Zukunft des deutschen Gesundheitssystems besser heute als morgen korrigiert werden sollte.