© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

Ländersache: Sachsen
Voll Kornhaus
Paul Leonhard

Hoch ragen die Türme des Doms, ragt die Albrechtsburg auf einem Felsplateau über dem Fluß. Es sind die Wahrzeichen Meißens, der einige Kilometer elbabwärts von Dresden gelegenen Stadt, die nicht nur für ihre Porzellanmanufaktur berühmt ist, sondern vor allem als Keimzelle des heutigen Sachsens gilt. Hier wurde 929 durch König Heinrich I. die Markgrafschaft Meißen gegründet.

Zum Ensemble der Burg gehört das Kornhaus, eines jener vielen historischen Gebäude, die vom Verfall bedroht sind, seit der regierenden CDU die Lust am Erhalt von Denkmalen abhanden gekommen ist. Entsprechend lustlos liest sich die aktuelle Schutzbegründung des Einzelobjektes mit der Nummer 0930052: „Nach Umbau im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mit neogotischem Erscheinungsbild, baugeschichtlich, künstlerisch, kunstwissenschaftlich und städtebaulich von Bedeutung; als Wirtschaftsgebäude und Stallung der Albrechtsburg errichtet, 1897 zum Wohnhaus umgebaut.“

Unter der Ägide des bis 2004 amtierenden Bürgermeisters und Architekten Thomas Pohlack (CDU), überdies verheiratet mit der Landeskonservatorin und obersten Denkmalpflegerin des Freistaates, verfiel das Gebäude. Schließlich fand die Stadtentwicklungsgesellschaft mit der Venere Immo GmbH einen Interessenten, der das Gebäude für 500.000 Euro erwarb, angeblich um es in ein Luxushotel zu verwandeln, tatsächlich um damit zu spekulieren. Ein gewinnbringender Weiterverkauf gelang den Italienern allerdings nicht und so verfiel das Gebäude so rasch, daß die Stadt das Umfeld absperren und schließlich Sicherungsmaßnahmen vornehmen mußte.

Für den 4. Juli steht jetzt beim Amtsgericht die Zwangsversteigerung mit einem Startgebot von 370.000 Euro an. Vergeblich forderten bisher die AfD- und die Linksfraktion im Landtag den Freistaat auf, das Kornhaus zu erwerben, um „den Kulturverfall zu stoppen“ und darin ein Museum einzurichten. Es bestehe kein Staatsbedarf für diese Immobilie, ließ das Finanzministerium mitteilen. Das könnte sich nun ändern. Denn seit die AfD signalisiert hat, das Objekt mit seinen rund 1.800 Quadratmetern Nutzfläche zu ersteigern, um, so Landtagsfraktionschef Jörg Urban, „eines der wertvollsten Kulturdenkmäler unserer Heimat zu erhalten“ und zum bundesweiten Tagungs- und Schulungszentrum mit öffentlicher Nutzung umzubauen, sieht sich Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) unter Druck.

Daß auf dem Burgberg eine „Nazikaderschmiede“ entsteht, müsse verhindert werden, twitterte die SPD-Landesvorsitzende Sophie Koch. Eingeschaltet hat sich auch der MDR-Moderator Jörg Kachelmann, der „Menschen mit Kohle und systemnaher linker Gesinnung“ aufrief, gemeinsam zu verhindern, daß die „Schmierlappen der AfD“ das Kornhaus erwerben. Das würde, so meinte AfD-Bundesschatzmeister Carsten Hütter gegenüber der FAZ, „mit seinem ganzen Ambiente zu einer konservativen Partei passen wie kein zweites“ Gebäude. Laut Hütter sei der Kaufpreis kein Problem, aber der Investitionsaufwand von mehreren Millionen Euro „schon eine Herausforderung“.