© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Entscheidend ist auf dem Platz
Paul Rosen

Na bitte, geht doch: Deutschland ist Fußball-Europameister. Nun ja, nicht mit Nationalmannschaft, sondern mit dem „FC Bundestag“. Der spielte vergangene Woche bei der Europameisterschaft der Parlamentarier im finnischen Lathi gegen die Schweiz. Die deutschen Abgeordneten gewannen 3:0 und holten den Titel. 

Dabei läßt sich von den politischen Verhältnissen nicht auf den Zustand der Mannschaft schließen. Während die FDP politisch gerade schwächelt, war ausgerechnet ein Liberaler der Held auf dem Platz in Lathi: Angriffsspieler Oliver Luksic, Staatssekretär im Verkehrsministerium, schoß alle drei Tore für die deutschen Abgeordneten und führte sie damit erstmals seit elf Jahren wieder zum Titel. Nur wenige Parlamentsmannschaften in Europa beteiligten sich an dem Turnier, das jährlich ausgetragen wird: Neben den deutschen spielten noch Polit-Kicker aus der Schweiz, Österreich und Finnland mit. 

„Wir haben eine geschlossene Mannschaftsleistung gezeigt“, lobte Luksic nach dem Spiel. Zudem habe die Defensive „sehr stabil“ gestanden. Im vergangenen Jahr war das Turnier wegen Corona ausgefallen, 2019 siegten die Österreicher, 2018 die Schweizer.

Beim Kicken kommt auch die sonst übliche parlamentarische Ausgrenzung der AfD nicht vor. Das bestätigt auch Jörn König, Obmann der AfD-Fraktion im Sportausschuß, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT und spricht von einem „völlig normalen, total entspannten Verhältnis“. Auf dem Platz seien  „alle nur Fußballer – und das ist auch gut so. Da wird auch ein Staatsminister ausgewechselt, wenn er mal nicht gut spielt.“

Die Mannschaft fühlt sich laut Eigenwerbung als „erfolgreichste Fraktion des Bundestages“. Immer dienstags in Sitzungswochen wird trainiert. Der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bezeichnete den FC Bundestag als guten „Botschafter des Parlaments“, denn die Erlöse aus den Spielen kommen sozialen Projekten zugute. Lammert spielte früher selbst in der Mannschaft mit. Unter den früheren Spielern finden sich viele bekannte Namen: Joschka Fischer (Grüne), Franz Müntefering (SPD), Peter Ramsauer (CSU), Wolfgang Schäuble (CDU), Rudolf Scharping (SPD), Andreas Scheuer (CSU) und der bereits verstorbene Peter Struck (SPD). Außerdem war einer dabei, dessen Namen man heute nicht mehr so gerne nennt: Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD).

Die Anfänge des FC Bundestag liegen in Bonn. 1961 wurden Spieler für ein Wohltätigkeitsspiel gesucht. Die Gegenmannschaft bestand aus Redakteuren des WDR und einigen Prominenten. So kickte der Kölner Volksschauspieler Willy Millowitsch mit. Unter den Politikern damals der FDP-Vorsitzende Erich Mende und der spätere FDP-Fraktionschef Wolfgang Mischnick. Daß die Bundestagsmannschaft ihr erstes Spiel mit 5:3 gewann, lag sicher auch an einem Profi, der die Mannschaft in der zweiten Halbzeit verstärkte: Sepp Herberger, Trainer der legendären Weltmeister-Nationalelf von 1954.