© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

Grüße aus … Bozen
Nimm mein Herz als Pfand
Paul Decarli

Mit seiner neuesten musikalischen Darbietung legt der österreichische Volks-Rock’n’Roller Andreas Gabalier Südtirol den roten Teppich aus – um es nüchtern auszudrücken. Mit einem Augenzwinkern könnte man auch sagen, es ist ein Liebeslied für das Land an der Etsch. Und genau dieses innig wirkende Verhältnis des Künstlers läßt Kritiker zwischen den Zeilen „Schönes Land, du meine Liebe“ und „Nimm so lang mei Herz als Pfand“ eine geschickt eingefädelte Marketingaktion sehen. 

Aber der Reihe nach. Vor drei Wochen besuchte der kernige Schlagersänger im Rahmen eines Südtirol-Aufenthalts eine Schule und präsentierte bei einer Live-Kochshow auf dem Brunecker Rathausplatz sein jüngstes Lied. Beides dem Zeitgeist entsprechend vielfach digital festgehalten und Hunderte Male in Sozialen Netzwerken geteilt. 

Seitdem brodeln in Touristiker-Kreisen Gerüchte, daß die mit traumhaften Bildern in Szene gesetzte Musikeinlage ein gewiefter Marketinggag ist. Untermauert wird dieses Gerede von einer Aussage eines Insiders: „Ich kann nur sagen, was ich gehört habe. Nämlich, daß Gabalier dafür bezahlt worden sein soll, dieses Lied zu singen. Dahinter stecken mehrere hohe Leute, bestehend aus Touristikern und Hoteliers.“ 

Sicher ist jedoch, daß die musikalische Einlage des Volks-Rock’n’Rollers genau das erreicht hat, was sie sollte.

Ins Fadenkreuz der Skeptiker ist auch der hauseigene Wirtschaftsdienstleister für Tourismus des Landes Südtirol IDM gekommen. Bereits nach dem Amtsausscheiden der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel investierte der Dienstleister rund 70.000 Euro an Steuergeld in eine einseitige Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, welche man gutdenkend mit einer gehörigen Prise Humor aufnehmen konnte. Auf Nachfrage zu den aktuellen Anschuldigungen meinte der IDM-Präsident Hansi Pichler jedoch: „Wir haben mit der Südtirol-Hymne nichts zu tun. Das Lied ist auf seine Initiative hin entstanden. Finanziert wurde es über andere Partner. Die IDM hat in diese Angelegenheit kein Geld investiert.“

 Und schiebt damit den Schwarzen Peter wieder den anderen zu. Doch wer die „Anderen“ tatsächlich sind, darüber kann nur spekuliert werden. Sicher ist jedoch, daß die musikalische Einlage genau das erreicht hat, was sie sollte: Aufmerksamkeit. Und setzt damit das, hinter vorgehaltener Hand, oft besprochene Thema des überstrapazierten Tourismussektors ins Bühnenlicht. 

Denn mit 31,4 Millionen Übernachtungen jährlich und mehr als 10.000 Beherbergungsbetrieben ist Südtirol nah an der Grenze zum Kollaps. Es bleibt nur zu hoffen, daß sich alle Beteiligten des Konzepts eines nachhaltigen Tourismus bewußt sind, sonst bleibt von der von Gabalier so malerisch besungenen Landschaft bald nichts mehr übrig.