© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

Peking läßt die Muskeln spielen
Taiwan: Die USA wollen gegenüber China Härte zeigen, verzetteln sich aber in stategischer Zweideutigkeit
Liz Roth

Daß US-Präsident Joe Biden immer wieder gut für einen Fauxpas ist, bewies er jüngst auf seinem Staatsbesuch in Japan. Dort verärgerte er Peking und die Regierung von Xi Jinping, als er auf die Frage eines Reporters, ob die Vereinigten Staaten „militärisch“ eingreifen würden, falls China Taiwan angreifen sollte, mit „Ja“ antwortete. Diese Bemerkung widersprach Washingtons jahrzehntelanger Politik der „strategischen Zweideutigkeit“, die es vermied, der Insel im Ostchinesischen Meer eine ausdrückliche Sicherheitsgarantie zu geben. „Das ist die Verpflichtung, die wir eingegangen sind“, sagte der Präsident. Das Gesetz über die Beziehungen zu Taiwan aus dem Jahr 1979 verpflichtet die USA nicht, im Falle einer chinesischen Invasion zu intervenieren. Stattdessen sieht es vor, daß Amerika Hilfe leistet, damit Taiwan sich selbst verteidigen kann.

Diese unverblümte Aussage des Präsidenten wurde in Peking schlecht aufgenommen, denn dort wird Taiwan lediglich als abtrünnige Provinz gesehen, und es werden keine Kompromisse eingegangen. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, wies Biden entsprechend zurecht. „China ist sehr unzufrieden und lehnt die Äußerungen der US-Seite entschieden ab. Es gibt nur ein China in der Welt“, sagte er. „China wird entschiedene Maßnahmen ergreifen, um seine Souveränität und seine Sicherheitsinteressen zu schützen. Wir meinen, was wir sagen.“  Wang Wenbin betonte, China habe bei der „nationalen Souveränität und territorialen Integrität“ „keinen Raum für Kompromisse“.

Während der Pressekonferenz sagte Biden zudem, „die USA unterstützten die Ein-China-Politik, aber das bedeute nicht, daß China das Recht habe, Taiwan mit Gewalt zu übernehmen“. Das Weiße Haus stellte schnell klar, daß die USA ihre Politik nicht ändern würden und verwies auf diesen Teil von Bidens Äußerungen in einer Erklärung, die schnell an viele Nachrichtenagenturen geschickt und als Rückzieher von seinen Äußerungen angesehen wurde.

Einige Tage später äußerte sich auch US-Außenminister Antony Blinken in einer langerwarteten Rede an der George Washington University zur US-China-Politik und stellte klar, daß die Biden-Regierung sich der „größten geopolitischen Herausforderung des 21. Jahrhunderts“ stellen würde und Bidens Aussagen auf monatelangen internen Überlegungen über den Umgang mit Peking basierten. Blinken unterstrich, wenn man China gestatte, das 21. Jahrhundert zu dominieren, weil es die Menschenrechte nicht respektiere, „würden wir uns von den universellen Werten entfernen, die in den letzten 75 Jahren einen Großteil des weltweiten Fortschritts ermöglicht haben.“ Er wies insbesondere auf die Menschenrechtspraktiken des Landes in Tibet, Hongkong und Xinjiang hin, wo er Peking beschuldigte, einen „Völkermord“ an den Uiguren und anderen ethnischen Minderheiten zu begehen.

In bezug auf eine Reihe von humanitären, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Fragen erklärte der Minister, die Vereinigten Staaten seien mit ihren Partnern im gesamten indopazifischen Raum „stärker als je zuvor verbunden“. Allerdings positionierte sich Blinken auch klar für eine Kooperation mit China. Kritiker wie der republikanische Senator Tom Cotton waren von dem „Mangel an Klarheit“ enttäuscht. „Die anhaltende Zweideutigkeit und Ungewißheit wird die chinesischen Kommunisten wahrscheinlich provozieren, ohne sie abzuschrecken“, so der Senator. Auch Craig Singleton, Leiter der Stiftung für die Verteidigung von Demokratie, fürchtet, daß diese „strategische Doppeldeutigkeit“ Konsequenzen haben könnte und die Chinesen tatsächlich irgendwann angreifen, „so wie Putin in der Ukraine“. Laut Journalisten der Washington Post rüsten die Amerikaner schon seit geraumer Zeit ihre Militärpräsenz im Pazifik auf. 

Erneut verletzt Peking den taiwanesischen Luftraum

Laut offiziellen Militärquellen sind fast 375.000 Mann in der gesamten Region stationiert. Strategisch haben die USA Stützpunkte in Südkorea, Japan und Singapur sowie Kooperationen mit anderen Nationen des Raumes. 

Vor diesem Hintergrund kritisierte Chinas Außenminister Wang Yi die Rede von US-Außenminister Blinken zur China-Strategie der USA: „Die Beziehungen zwischen China und den USA stehen an einem wichtigen Scheideweg, und die USA sollten die richtige Entscheidung treffen.“

Blinkens Rede widerspiegele eine gravierende Fehlentwicklung in der Anschauung der USA über die Welt, über China und über Beziehungen zwischen den USA und China. Es könne einen fairen Wettbewerb zwischen den Ländern geben, und es könne auch einen Wettbewerb zwischen China und den Vereinigten Staaten geben, aber es sollte kein bösartiger Wettbewerb sein, betonte Wang nach Angaben von Radio China International. Die USA sollten die richtige Entscheidung treffen und sich auf die „drei Prinzipien“ des „gegenseitigen Respekts, der friedlichen Koexistenz und der Win-Win-Kooperation“ konzentrieren, um den richtigen Weg zu finden, damit die beiden Großmächte China und USA in der neuen Ära gut miteinander auskämen, so das Fazit von Chinas Außenminister. 

Um seinen Anspruch zu untermauern, drangen nach Angaben des taiwanesischen Verteidigungsministeriums zu Beginn dieser Woche zum zweiten Mal in diesem Jahr 30 chinesische Militärflugzeuge, zwei Drittel davon Kampfjets, in den südwestlichen Teil der Luftverteidigungszone Taiwans ein. Taipeh versetzte daraufhin seine eigenen Luftstreitkräfte in Alarmbereitschaft.

Foot: Empfang eines ehemaligen hochrangigen US-Beamten in Taipeh: Gegen die Expansionsgelüste des Nachbarn