© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

Kann ein westliches Käuferkartell die hohen Ölpreise merklich senken?
Politischer Aktionismus
Thomas Kirchner

In den Reden auf den Klimakonferenzen konnte der Ölpreis westlichen Politikern nicht hoch genug sein. Nun ist es soweit, doch die G7-Energieminister fordern das Ölkartell OPEC auf, mehr zu fördern. Joe Biden verkauft Lagerbestände der strategischen US-Ölreserven. Wirtschaftsminister Robert Habeck will mit einem Käuferkartell den Preis des schwarzen Goldes deckeln. Diese Idee stammt ursprünglich von Italiens Premier Mario Draghi, der Mitte Mai erstmals davon sprach. Doch dies würde nur funktionieren, wenn die Käufer die Nachfrage auf Kommando drosseln könnten.

Bei der Förderung geht so eine Drosselung, deshalb ist die OPEC auch so erfolgreich. Öl fließt nicht nur zur Tankstelle: Die ganze Petrochemie von Industriealkoholen über Kunststoffe bis Bitumen braucht es. Ein Höchstpreis könnte verordnet werden, doch wieviel Öl dann noch geliefert wird, ist eine ganz andere Frage. Ein Käuferstreik wäre ein Akt der Verzweiflung – wie ein Hungerstreik: Das funktioniert nur, wenn die andere Seite Empathie zeigt. Doch warum sollten die ölexportierenden Länder die reichen Verbraucher im Westen subventionieren? Von den 13 OPEC-Staaten kommen nur die Lebensstandards in Kuweit und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf europäisches Niveau. Angola, Algerien oder die Republik Kongo sind bettelarm. Hohe Einnahmen aus Ölverkäufen dienen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Das Klischee des Ölscheichs im Palast ist ein Ausnahmephänomen der Golfmonarchien.

Auch moralisch wäre ein solcher Ressourcentransfer zu künstlich niedrigen Preisen äußerst fraglich – und ausgerechnet der Ex-Grünen-Chef Habeck gehört eigentlich zur Fraktion der Hypermoralisten. Daß ein Ölpreisschub bevorsteht, weil im Laufe dieses Jahres erstmals die Nachfrage die Förderung übertreffen könnte, ist schon seit Monaten bekannt (JF 45/21) und hat nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun. Und ist der Ölpreis schon so hoch, daß er ökonomisch schadet? Die Investmentbank JPMorgan Chase geht davon aus, daß die Wirtschaft einen Preis von 130 bis 150 Dollar pro Barrel verkraften kann, am Montag stand Öl bei 115 bis 120 Dollar. Der weitaus stärkere Anstieg des Erdgaspreises bereitet Unternehmen wesentlich mehr Probleme als das Öl, denn wegen des höheren Steueranteils beim Öl sowie der Raffineriekosten schlägt der Anstieg des Rohölpreises weniger auf den Endpreis durch als ein gleicher Anstieg beim Gas.

Während Habeck beim Ölpreis nur auf der Zuschauertribüne sitzt, könnte Präsident Biden die Lage auf dem Ölmarkt durchaus entschärfen. Leider tut er genau das Gegenteil: Im Mai ließ er auf Druck von Klimaaktivisten Fördergenehmigungen in Alaska und im Golf von Mexiko stornieren. Biden schlägt eine Strafsteuer auf russisches Öl vor, die sich zwar umsetzen ließe, aber wirkungslos bliebe, denn billigeres russisches Öl wird vermehrt nach Indien und in andere Länder geliefert, die bei den Sanktionen nicht mitwirken. Indien importiert dafür weniger teures Öl aus dem Nahen Osten, das dann nach Europa exportiert werden kann.

Die Sanktionen werden so zu einem Verschiebebahnhof. Nach Ansicht des Weißen Hauses ist Wladimir Putin für die hohen Ölpreise verantwortlich. Gleichzeitig verlangt Biden höhere Förderquoten und erwägt sogar, die Importrestriktionen gegen Venezuela aufzuheben. Ob ihm der Spagat zwischen Ökogruppen und Autofahrern gelingt, wird sich bei den US-Wahlen im November zeigen.