© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

Soziale Spritpreisbremse reißt Löcher in den ungarischen Staatshaushalt
Viktor Orbáns Notbremse
Jörg Fischer

Energiewende, Masseneinwanderung, Klimaabgaben, Corona, gestörte Lieferketten, Euroabwertung, Nullzinsen, staatliche Ausgabenorgien sowie obendrauf drei Monate Ukraine-Krieg und Rußland-Sanktionen – die Geldentwertung in Europa scheint außer Kontrolle. Die Inflationsrate im Euro-Raum kletterte im Mai auf 8,1 Prozent. Nur in der neutralen Schweiz herrscht mit 2,5 Prozent Inflation fast Preisstabilität. Daß der Benzinpreis dennoch auf den EU-Schnitt von 1,90 Euro kletterte, liegt an der Besteuerung und der Euro-Schwäche gegenüber dem Franken.

Es gibt aber noch ein Tankparadies in Eu­ropa: In Ungarn kostet der Liter Super umgerechnet 1,25 Euro – zehn Cent weniger als in der Türkei. Hat die Landeswährung Forint extremer abgewertet als die türkische Lira? Fließt das russische Erdöl zu Freundschaftspreisen in die Raffinerien? Nein, die Regierung von Viktor Orbán hat den Preis für 95-Oktan-Benzin und Diesel auf den Einheitspreis von 480 Forint gedeckelt – und auch nach der haushoch gewonnenen Parlamentswahl im April nicht erhöht. In den Nachbarländern Serbien und Slowenien (je 1,56 Euro), der Ukraine (1,61), Rumänien (1,63), der Slowakei (1,80) sowie in Österreich und Kroatien (1,81) war Benzin im Mai spürbar teurer. Das hat den Tanktourismus befördert und ungarischen Stationen Zusatzumsätze beschert.

Doch die soziale Preisbremse reißt Löcher in den ungarischen Staatshaushalt. Und ein Österreicher verdient dreimal soviel, ein Slowene fast doppelt soviel wie ein Ungar. Deswegen zog Budapest die Notbremse und ordnete vorige Woche an, daß der Sprit für 480 Forint nur noch an Autofahrer mit ungarischen Kennzeichen verkauft wird. Alle anderen müssen nun besteuerte Marktpreise zahlen – also etwa 60 Cent mehr. Das sei rechtswidrig, hieß es sofort aus dem Ausland und von der woken Opposition. Das sei Diskriminierung im Binnenmarkt – und ein Fall für die Kommission und den EU-Gerichtshof in Luxemburg. Die 2013 von der CSU in den schwarz-roten Koalitionsvertrag gedrückte „Ausländermaut“ für deutsche Autobahnen fand dort bekanntlich auch keine Gnade. Aber wie wäre es mit Kraftstoffgutscheinen? Mit denen lockte Italien westdeutsche Urlauber vor 40 Jahren nach Südtirol und an die Adria, die von den hohen dortigen Benzinsteuern abgeschreckt waren.