© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

Aussteigende Sterne
Philip Schlaffer, Lisa Licentia und Axel Reitz verdienen ihre Brötchen als rechte Aussteiger
Boris T. Kaiser

Kennen Sie Philip Schlaffer? Der ehemalige „Neonazi“ ist der derzeit erfolgreichste Kopf im Aussteiger-Gewerbe. Schon in seiner Zeit als „Kameradschaftsführer“ der „Kameradschaft Werwolf“ galt der Ex-Skinhead als umtriebiger Geschäftsmann. 

In seiner alten Heimatstadt Wismar betrieb der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann mehrere Szene-Läden, ein einschlägiges Tattoo-Studio und gehörte, als Vertriebshändler und Konzertveranstalter, zu den größten Vermarktern rechtsextremer Musik europaweit. Später war er, mit dem Rocker-Club „Schwarze Schar MC“, eine aktive Rotlichtgröße, was ihm unter anderem eine mehrjährige Haftstrafe wegen Drogenhandels einbrachte.

Von der Kriminalität und seiner alten Gesinnung hat Schlaffer sich inzwischen glaubhaft gelöst. Den Geschäftssinn hat er sich erhalten. Sein Youtube-Kanal „Ex-Rechte Rotlicht Rocker“ zählt rund 117.000 Abonnenten. Seinen Erfolg nutzt der heute 43jährige auch, um andere „Aussteiger-Stars“ aufzubauen, die er regelmäßig als Gäste in seinen Videos begrüßt. Einer von ihnen ist Axel Reitz. Der 1983 in Dormagen geborene Ex-Neonazi erlangte in den frühen 2000er Jahren als der „Hitler von Köln“ zweifelhafte Berühmtheit. Heute bezeichnet sich Reitz als „Grundsatzliberaler“. In seinen Videos geht es nicht immer ganz so grundsatzliberal zu. Wie Schlaffer ist Reitz haltungsmäßig tief im politischen Mainstream angekommen. Die von ihm geäußerten Ansichten, zur AfD, der „Neuen Rechten“ oder den Corona-Protesten, unterscheiden sich kaum noch von einem durchschnittlichen Kommentar in der „Tagesschau“.

Nicht immer bringt der Einstieg ins Aussteigergeschäft den gewünschten Erfolg. Paradebeispiel hierfür ist die ehemalige „rechte Investigativreporterin“ Lisa H. Als Lisa Licentia berichtete die Youtuberin einst über Demonstrationen in ganz Deutschland. 2020 inszenierte sie in der Pro7-Reportage „Rechts.Deutsch.Radikal“ ihren Ausstieg. Es folgte eine postwendende Radikalisierung nach links. Dort zweifelt man allerdings nachhaltig an ihrer Glaubwürdigkeit. Auch weil es immer wieder Gerüchte gab, daß sie, auch nach ihrer offiziellen Abkehr vom rechten Gedankengut weiter enge Kontakte ins tief rechtsextreme Milieu gepflegt haben soll. Heute ist die mehrfache Mutter weitgehend in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Hatten ihre Videos früher nicht selten weit über 100.000 Zuschauer, schauen sich ihre heutigen Clips über „Transfeindlichkeit“ oder „Männer und ihre Witze über Vergewaltigungen“ im Schnitt nicht mal mehr 5.000 Leute an.