© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

Frisch gepreßt

Arno Schmidt. „Abgesonderter von allem, was Zeit ist und Mitwelt, hat keiner gelebt, hat keiner geschrieben. Von der deutschen Nachkriegsliteratur wird in 100 Jahren nichts geblieben sein als sein Werk.“  Nicht nur Hans Wollschläger, einer seiner treuesten Apostel, der dieses Urteil 1982 fällte, auch viele in der seitdem ständig wachsenden Leserschaft des 1979 verstorbenen Schriftstellers Arno Schmidt, dem „Herrn der Wortwelten“, sind mit guten Gründen felsenfest davon überzeugt, in ihm den bislang einzigen bundesrepublikanischen Autor von weltliterarischem Rang sehen zu dürfen. Dieser Klassifizierung haben seine Zeitgenossen selten zugestimmt, wie jetzt Friedhelm Rathjens anekdotenreicher, amüsanter Sammelband zur Wahrnehmung Schmidts im Literaturbetrieb der 1950er dokumentiert. Nicht einmal die Lektoren des Rowohlt-Verlages, die seine ersten Prosastücke begutachteten. Schoß doch, nachdem sich ihre Begeisterung über das Sprachgenie gelegt hatte, sukzessive ihr im Kollegenneid wurzelnder Haß auf das „arrogante Gehirntier“ ins Kraut. Reaktionen, die sich auf breiter Front wiederholten, als Schmidt ab 1970 Alterswerke wie „Zettels Traum“ und „Die Schule der Atheisten“ vorlegte, die das bundesdeutsche Piefke-Feuilleton mehrheitlich als elitäre „Literatur für gebildete Pensionäre“ abtat. (wm)

Friedhelm Rathjen (Hrsg.): Arno Schmidt im Literaturbetrieb der frühen Jahre. Edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag, München 2022, broschiert, 172 Seite, 24 Euro





Letztes Aufgebot. Im Frühjahr 1945 schwant wohl den allerletzten Endsieggläubigen, die ihre Hoffnungen auf die „Wunderwaffen“ gerichtet hatten, daß für die Deutschen dieser Krieg nicht mehr zu gewinnen ist. Das weiß auch Hans-Joachim Eilhardt bereits Ende 1944. Der junge Mann ist gerade einmal 18 Jahre alt und hat sein Not-Abitur in der Tasche. Wie viele Gleichaltrige wird er in die Wehrmacht eingezogen. Der frisch ausgebildete Funker wird sogleich in die Kämpfe in der „Hölle von Golzow“ im Oderbruch im Küstriner Vorfeld geworfen. Es folgen die Schlachten um die unweiten Seelower Höhen sowie um Berlin. Am 7. Mai 1945, einen Tag vor der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht, gerät Eilhardt in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Doch Eilhardt ahnt sorgenschwer, was ihm in Rußland blühen wird, und riskiert die Flucht. In 25 Tagen schafft er es, 650 Kilometer zurückzulegen und kehrt nach Frankfurt am Main in sein Elternhaus zurück. Wer die Perspektive eines einfachen Soldaten kennenlernen will, der heute zu den letzten noch lebenden Kämpfern des Weltkrieges zählt, wird die Lektüre dieses Buchs nicht bereuen. (fox)

Hans-Joachim Eilhardt: Frühjahr 1945. Kampf um Berlin und Flucht in den Westen. Helios Verlag, Aachen 2021, gebunden, 193 Seiten, 19,90 Euro