© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

Umwelt
Haselmaus schlägt Windrad
Bernd Rademacher

Der sagenumwobene Reinhardswald in Nordhessen war Schauplatz von „Grimms Märchen“, die Sababurg ist das Schloß vom Dornröschen. Doch die malerischen Mittelgebirgshänge zwischen Weser und Kassel mit jahrhundertealten Eichen und Buchen sollen zum „Windpark Reinhardswald“ werden (JF 29/19). Bereits 2012 plante die damalige schwarz-gelbe Landesregierung, über 16.000 Hektar Wald für mehr als tausend Windräder auszuweisen. Das rief Widerstand auf den Plan. 2019 hatte der Reinhardswald sein 1.000jähriges Jubiläum, doch das nun schwarz-grüne Kabinett von Volker Bouffier hielt an den abgespeckten Energiewendeplänen fest. Sogar die Bundeswehr legte Beschwerde gegen die Windräder ein, die teils höher als der Kölner Dom werden sollen. Die Forstverwaltung sperrte Straßen, um den Bauverkehr zu stoppen. Nun stolperten die Investoren über ein winziges Nagetier: die Haselmaus.

„Es gibt sicher einige Verzögerungen, aber aufgeschoben heißt aber nicht aufgehoben.“

„Die Rodung der Wurzelstubben an den Anlagenstandorten muß vorerst unterbleiben“, entschied der Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Muscardinus avellanarius ist nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU streng geschützt. Die Tiere erwachen gegen Ende Mai aus ihrem Winterschlaf. Im verwaltungsrechtlichen Instanzenzug ist der Beschluß nicht anfechtbar. Nun müssen die Windparkinvestoren ein Schutzkonzept vorlegen und nach erneuter gerichtlicher Prüfung umsetzen. Bis dahin ruht die Bauvorbereitung. Die Bürgerinitiativen gegen den Windradbau begrüßten das Urteil. Eine Sprecherin des VGH Kassel erklärte gegenüber der JF, daß es sicher einige Verzögerungen gebe, aber aufgeschoben sicher nicht aufgehoben bedeute. Doch die Waldretter haben noch ein paar Trümpfe: Der „Märchenwald“ verfügt über große Populationen des geschützten Rotmilans. Außerdem will das Forstamt Reinhardshagen erstmals Kranichnachwuchs nachgewiesen haben.