© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/22 / 03. Juni 2022

Leserbriefe

Zum Schwerpunktthema: „Grenzen der Debatte“, JF 22/22

Statt Meinungsfreiheit Überwachungsstaat

Nach einer Allensbach-Umfrage glaubt schon jeder dritte Deutsche, daß wir in einer „Scheindemokratie“ leben, in der Bürger nichts zu sagen haben. Und weit über 60 Prozent der Befragten haben Angst, offen ihre Meinung zu sagen. Solche Umfragen bestätigen den JF-Leitartikel „Grenzen der Debatte“. Immer mehr Deutsche verlieren den Glauben an unsere Demokratie. Erschreckend, daß gerade viele Medien, die ja die Hüter der Meinungsfreiheit sein sollten, zunehmend diejenigen sind, die die Meinung anderer versuchen zu diffamieren, indem sie diese als rassistisch, rechtsradikal, antisemitisch bewerten. So werden kritische Stimmen mundtot gemacht. Der Schriftsteller Uwe Tellkamp kritisiert zu Recht: „Aus unserer Meinungsfreiheit ist ein überwachter Diskursraum geworden.“ So heißt es zum Beispiel, man müsse „verdächtige Bürger“ auf ihre „Demokratiefähigkeit“ überprüfen. Da ist der Radikalenerlaß nicht mehr weit. „Lieber den Mund halten“, meinen da immer mehr Menschen, die systemabhängig arbeiten (Beamte, Journalisten, Kunstschaffende, Wissenschaftler). Ja, bei uns ist die Gedankenpolizei unterwegs: Abhören, Beobachten, Bespitzeln. Wir sind längst ein Überwachungsstaat. Das zeigt auch die personelle Aufstockung der Geheimdienste und die neuen Ermittlungsgesetze. In Zukunftsromanen wie Philip K. Dicks „Minority Report“ gehört eine Gedankenpolizei zum Repertoire der Repressalien, mit denen Bürger in totalitären Staaten kontrolliert werden. In diesem Motiv verkehrt sich das aufklärerische Ideal der Gedankenfreiheit, wonach die Gedanken nicht nur frei, sondern auch unergründlich sind: „Wer kann sie erraten?“, heißt es bei Hoffmann von Fallersleben. Die Gedankenpolizei kann es: Sie vermag nicht nur Gedanken zu lesen, sie ahndet auch „Gedankenverbrechen“, sanktioniert also ein Denken, das gegen die herrschende Denkordnung verstößt. Doch der Streit um unterschiedliche Ansichten, eine wahrhaftige Debattenkultur, ist das Lebensblut einer Demokratie. Dabei kann man das Motto der JF-Redaktion auf der Titelseite nur unterstützen: Demokratie braucht Meinungsfreiheit!

Peter Hain, Bad Dürkheim






Zu: „Den Moralisten widersetzen“ von Michael Paulwitz, JF 22/22

Wahlrecht nährt Günstlingswirtschaft

Der Leitartikel entlarvt das Pharisäertum der links-grün getakteten politisch-medialen Hegemone in der EU ebenso wie in Deutschland. Seit langem fördert unser Wahlrecht die Günstlingswirtschaft der etablierten Parteien, so daß nicht Qualität und Verantwortung für unser Land, sondern Parteihörigkeit und Quote entscheidend werden. Wer es noch immer nicht gemerkt hat: Diese Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht. Helfershelfer hatten und haben sie genug, besonders bei den dominanten Medien und den ÖR. Und damit hat sich die Kluft politisch, medial, ökonomisch, sozial und intellektuell zwischen dem Bürger und der etablierten Politik nicht unerheblich vergrößert. Das Verhalten der selbsternannten Eliten in der EU und Deutschland grenzt schon an autistische Realitätsverweigerung. Aber wo kein Kläger, da kein Richter. Für Deutschland benötigen wir dringend bodenständige, deutschlandfreundliche, liberal-konservative Alternativen! Die AfD kann diese Lücke füllen, wenn man sie nicht quasi unter die Reichsacht stellt und somit für den polit-medialen Dauerbeschuß freigibt. Übrigens, jenen, die ständig auch berechtigte Kritik an der AfD äußern, sei gesagt: Welche der etablierten Parteien ist schon ohne Makel? Und letztere regieren sogar seit Jahren mit den allgemein bekannten fatalen Folgen für Deutschland, die Herr Paulwitz detailliert darlegt!

Hartmut Völkel, Olpe






Zur Meldung: „Katholiken-Komitee will Kaiser-Denkmal verhüllen“, JF 22/22

Die Kirche sollte besser nachdenken

„Nicht umstoßen, sondern nachdenken“ – mit diesen Worten unterstreichen sogenannte „Künstler“ vom Katholikentag 2022 in Stuttgart ihre Verhüllung des Reiterstandbildes von Kaiser Wilhelm I. Sie entehren somit eine der größten deutschen Persönlichleiten, die unser Volk hervorbrachte. Wegbereiter der Reichsgründung sowie Geburtshelfer unserer deutschen Nation! Diese Provokation, dieser Anschlag auf unsere Identität, wird wie so oft auch von den etablierten Medien unterstützt und beklatscht! Die Kirche sollte besser an anderer Stelle nachdenken: sexueller Kindesmißbrauch, Kirchenasyl und Lobhuldigung von sexuellen Minderheiten.

Markus Krauss, Leingarten




Selbsternannte Zensoren

Langsam wird es Zeit, diesen sogenannten Künstlern das Handwerk zu legen. Wer kümmert sich eigentlich noch um unsere Geschichte? Ich bin es satt, daß selbsternannte Zensoren (Künstlergruppe ReCollect) hier schalten und walten können! Wie üblich soll die Aktion zum Nachdenken anregen! Alles ist natürlich „legal“: Die Genehmigung erteilte das Finanzministerium, dem der Platz gehört! Die Veranstaltung ist eine Laienveranstaltung: So ist auch die Kirche aus dem Spiel! Warum wurde eigentlich der Löwe nicht verhüllt: Reichte das Tuch in der „panafrikanischen“ Farbe Rot nicht?

Kurt D. Wachsmuth, Meckenheim






Zu: „Die Debatte versachlichen“ von Gerd Seidel, JF 22/22

Es geht nicht um demokratische Werte

Diese vorliegende detaillierte Darstellung der Vorgeschichte des Ukraine-Krieges ist sehr zu begrüßen, da man in den Medien kaum Ähnliches findet und nur so denkbare einigermaßen realistische Lösungswege zu einer Beendigung des Konfliktes sichtbar werden können. Dabei ist zu bedenken: Das Minsker Lösungsangebot 2015 lag offenbar nicht im US-Interesse (im Gleichklang mit der Ukraine-Führung) und wurde deshalb unterlaufen. Gemäß „cui bono?“ wird der Krieg nicht enden, solange der Akteur USA dies nicht für zweckmäßig hält. Dieser Zeitpunkt könnte eintreten, wenn der Welthandel in unzählige Direktbeziehungen der jeweiligen Partner zerfällt, weil kein Land Lust hat, sich individuell nach Laune des „Lehrers“ (USA) bestrafen zu lassen. Es geht auch nicht um die Verteidigung demokratischer Werte (wer definiert diese?) gegen autokratische Systeme – dann müßten ständig Kriege geführt werden –, sondern um Interessen von Nationen, die im Gleichgewicht gehalten werden müssen.

Lothar Steinhäuser, Greifswald




Waffenlieferung kein Kriegseintritt

Der Beitrag von Gerd Seidel zum Ukraine-Krieg wird seinem Titel „Die Debatte versachlichen“ nicht gerecht. Insbesondere treffen die Fundamentalaussagen, daß neutrale Staaten Konfliktparteien nicht unterstützen  dürfen und überwiegend im Völkerrecht die Position vertreten wird, daß die Lieferung von Waffen, Kriegs- und Rüstungsmaterial prinzipiell untersagt ist, in dieser Ausschließlichkeit nicht zu.  Vielmehr vertritt die nunmehr herrschende Meinung im Völkerrecht die Auffassung, daß das im urspünglichen Übereinkommen vom 18. Oktober 1907, betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkrieges (V. Übereinkommen der II. Haager Friedenskonferenz) festgelegte Neutralitätsgebot zu relativieren ist. Danach bedeutet die Zurverfügungstellung von Kriegsmaterial nicht, daß die Grenze  zur Konfliktteilnahme überschritten wird, denn neben das Neutralitätsgebot tritt das bereits in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelte Rechtsstatut der Nichtkriegsführung (non-belligerency). Danach hat der unterstützende Staat zwar eine nicht-neutrale Stellung, gilt aber nicht als am Konflikt beteiligte Partei. Erst wenn ein Staat sich mit eigenen Kräften unmittelbar an den Feindseligkeiten beteiligt (co-belligerency), ist die Schwelle zur kriegsführenden Partei überschritten. Alles andere würde dem System der kollektiven Sicherheit in Kapitel VII der UN-Charta widersprechen.

Bernd Walter, Königs Wusterhausen






Zu: „Die indischen Hoffnungen wurden enttäuscht“ von Thomas Schäfer, JF 22/22

Am Ende dennoch erfolgreich

Daß Subhas Chandra Bose in Moskau Unterstützung für die Befreiung Indiens ersuchte, ist mir neu. Sein Ziel war es, unerkannt durch die Sowjetunion zu reisen, um in Deutschland Rommels Gefangene zum Kampf gegen die britische Kolonialmacht zu gewinnen. Bose gelang es dann auch, die Indische Legion in Regimentsstärke auf zu stellen. Das Regiment wurde am Atlantikwall eingesetzt. Rommel äußerte sich lobend über die indische Truppe. Beim zum Teil chaotischen Rückzug von deutscher Marine und Luftwaffeneinheiten 1944 von der Biyskaya – die Alliierten waren in Südfrankreich gelandet –, zog sich die Legion diszipliniert in Richtung Rhein zurück. Einen amerikanischen Panzervorstoß zwangen sie zum Rückzug, nachdem mehrere Sherman-Panzer in die Luft geflogen waren. Beim Rückzug desertierte der Adjutant Heinrich v. Trott – sein Bruder Adam von Trott zu Solz war am 20. Juli 1944 beteiligt – und mehre deutsche Offiziere. Auch 29 Inder desertierten. Die Deutschen wurden korrekt behandelt, während die indischen Legionäre erschossen worden. Dies steigerte selbstverständlich die Kampfbereitschaft der indischen Kameraden. Als die englische Kolonialmacht 1947 nach dem Vorbild des Nürnberger Militärtribunals urteilen wollte, kam es zu öffentlichen Protesten. Die Folge war die Freilassung aller Angeklagten. Anläßlich der Gründungsversammlung der von Subhash Chandra Bose ins Leben gerufenen Deutsch-Indischen Gesellschaft am 11. September 1942 im Hotel Atlantic in Hamburg wurde „Jana Gana Mana“ zum ersten Mal vom Hamburger Radiosinfonieorchester als Nationalhymne eines unabhängigen Indien gespielt. Bose sprach perfekt Deutsch, hatte eine deutsche Frau und eine Tochter (geb. 1942), Prof. Dr. Anita Pfaff. Nach wie vor werden für Bose in Indien Denkmäler errichtet. 

Die indische Einheit war mit hochqualifizierten deutschen Offizieren besetzt. Nach dem Krieg gab es aus ihren Reihen Hochschullehrer, Landesminister und einen Richter am Bundesverfassungsgericht. Der erste Botschafter Indiens in Bonn kam auch aus Boses Stab. Sicherlich leisteten die indischen Soldaten, die auf deutscher und japanischer Seite für die Freiheit ihres Landes kämpften, nur einen kleinen Beitrag zur Erlangung der Selbständigkeit Indiens – doch enttäuschend war er nicht.

Peter Conrad, Weißenbrunn






Zu: „Zum Reißen gespannt“ von Christian Vollradt, JF 21/22

Gärungsprozeß weitgehend beendet

Hier heißt es zu den Wahlniederlagen der AfD, diese sei vor Bundesparteitagen „meistens besonders gärig.“ Die letzten zehn Wahlen hat die AfD jedoch nicht Verluste erlitten, weil sie gärig ist. In der AfD gibt es vor allem Streit um Macht und Pöstchen. Gleichzeitig existiert keine funktionierende Organisationskultur, statt Regeln herrscht Willkür. In diesem Millieu gelingt es dem rechten Rand zunehmend, an Einfluß zu gewinnen, und aus der Professorenpartei wird allmählich eine Proletenpartei. Niemand, der irgendwann mal irgendwie gewählt werden will, hat den Mut, Probleme offen zu benennen. 

So haben wir in NRW am Landesschiedsgericht einen Richter, der sich in der Vergangenheit äußerte, er wolle gerne „den demokratischen Freisler“ geben und er sei „das freundliche Gesicht des NS“. Gleichzeitig soll eben dieses Landesschiedsgericht seit vielen Monaten über eine von Bundes- und Landesvorstand NRW beantragte Ämtersperre gegen den Möchtegern-Freisler in den eigenen Reihen entscheiden. „Hitlers Helferich“, wie ihn das ZDF genüßlich betitelte, ist ein exemplarischer Fall in der AfD, der einem konservativen und rechtsstaatlichen Mitglied den Atem stocken läßt (oder die Mitgliedschaft kündigen läßt). Da tröstet es auch nicht, daß immerhin die AfD-Bundestagsfraktion den Mann, der erst 2021 in den Bundestag gewählt wurde, nicht als Mitglied aufnahm. Jörg Meuthen hatte übrigens (als einzig konsequente Möglichkeit) einen Parteiausschluß des Herrn angeregt, war damit aber bei der Mehrheit des Bundesvorstandes gescheitert. Stattdessen wird ein Parteiausschlußverfahren gegen den Herrn betrieben, der die Äußerungen (zunächst parteiintern!) öffentlich machte – natürlich vom Landesschiedsgericht NRW. Dies ist ein exemplarischer Fall, der dafür sorgt, daß das neue Motto der AfD nach den vergangenen zehn Wahlen lauten könnte: Der Letzte macht das Licht aus.

Heinz Schäfer, Neunkirchen-Seelscheid






Zu: „Plädoyer für die nationale Souveränität“ von Peter Seidel, JF 20/22

Keine Kollektivschuldthese

In der Besprechung von Dohnanyis Buch „Nationale Interessen“ heißt es, daß der Autor diese wieder aufwärme. Doch nichts wäre unrichtiger, als dem honorigen Dohnanyi eine solche Sottise („Kollektivschuld“) zu unterstellen, auch wenn seine Formulierung etwas unklar ist. In seinem Vorwort zu meinem Buch „Deutsche Schuld 1933–1945?“ schreibt Dohnanyi unzweideutig: „Verantwortung ist aber nicht gleich Schuld. Schuldig an verbrecherischen Taten kann immer nur das Individuum sein. Und deswegen ist es immer wichtig, vor einem Schuldspruch zu prüfen: ‘Hat der Einzelne sich an den Verbrechen beteiligt?’“ Diese Richtigstellung sind wir Dohnanyi schuldig.

Prof. Dr. Konrad Löw, Baierbrunn