© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/22 / 10. Juni 2022

Pap Ndiaye. Frankreichs neuer Bildungsminister bricht mit dem Egalitarismus, einem Erbe der Französischen Revolution.
Macrons Wende
Alain de Benoist

Im Kabinett der neuen technokratischen Linksregierung der – von Präsident Macron berufenen – Premierministerin Élisabeth Borne gibt es nur eine Überraschung – und zwar eine böse: die Ernennung des parteilosen Historikers Pap Ndiaye zum Bildungsminister und Nachfolger des liberalen Konservativen Jean-Michel Blanquer, eines Verteidigers des „republikanischen Laizismus“. Pap Ndiaye hingegen gilt als Anhänger der Ideologie des antikolonialen „Indigenismus“ und des „Wokismus“.

Der 1965 nahe Paris geborene Sohn einer Französin und eines Senegalesen studierte unter anderem fünf Jahre in den USA und wurde 2008 durch seinen Aufsatz „Die Lage der Schwarzen. Essay über eine französische Minderheit“ bekannt. Darin versuchte er die These zu bestätigen, daß Schwarze in Frankreich mit demselben „strukturellen“ (oder „systemischen“) „Rassismus“ konfrontiert seien wie in Amerika. 2009 veröffentlichte er ein Buch über „Die schwarzen Amerikaner“, in dem er bereits die Thesen der späteren „Black Lives Matter“-Bewegung aufgriff und sich für die Einführung einer „positiven Diskriminierung“ (wie in den USA) auch in Frankreich einsetzte. Schon 2005 gehörte Ndiaye zu den Gründern des Conseil représentatif des associations noires, des französischen Dachverbands schwarzer Vereine, und beteiligte sich gelegentlich an „nicht gemischten“ (also für Weiße verbotenen) Versammlungen. 2018 prangerte er den „chauvinistischen Universalismus des heterosexuellen weißen Mannes“ im französischen Gesellschaftsmodell an, und 2020 den „weißen Ethnozentrismus“ sowie die Schwierigkeit, „Franzose zu sein, unabhängig von der Hautfarbe zu denken“. 

Für Linke ist es ein „schönes Zeichen“, für Marine Le Pen „die Dekonstruktion unseres Landes und seiner Werte“.

Längst ist Pap Ndiaye so etwas wie der „offizielle“ Vertreter des amerikanischen „dekolonialen“ Denkens (der berühmt-berüchtigten „Black Studies“) in Frankreich. Im vergangenen Jahr wurde er mit einem Bericht über „Die Vielfalt an der Pariser Nationaloper“ beauftragt. Darin stellte er fest, diese habe „noch keinen Regisseur, kein Libretto und keine Komposition einer nicht-weißen Person auf den Spielplan gesetzt“ und bedauerte, daß „die europäische Oper die der dominanten, weißen europäischen Männer ist“. Daher schlug er vor, „nicht-weiße Künstler“ als Vorbilder zu engagieren und forderte, daß „das weiß schminken der Haut im Ballett aufhören sollte“.

Warum wurde ein Mann, der für Ideen steht, die denen seines Vorgängers völlig entgegengesetzt sind, auf diesen Posten berufen? Am wahrscheinlichsten ist, daß Macron kurz vor der ersten Runde der Parlamentswahl an diesem Sonntag linke Wähler umwerben will.

Ndiayes Ernennung hat jedenfalls für heftige Reaktionen gesorgt. Für Dominique Sopo, Vorsitzender der Organisation SOS-Rassismus, ist sie ein „schönes Zeichen“. Und Linksaußen Jean-Luc Mélenchon begrüßte trotz seiner Gegnerschaft zu Macron die „Kühnheit“ der Berufung dieses „großen Intellektuellen“. Auf der rechten Seite und bei jenen Eltern, denen der erbärmliche Zustand der öffentlichen Schulen Frankreichs nicht verborgen geblieben ist, reagierte man dagegen anders. Für Éric Zemmour ist Pap Ndiaye ein „echter Woker“, während Marine Le Pen meint, daß „die Ernennung eines bekennenden Indigenisten der letzte Stein in der Dekonstruktion unseres Landes, seiner Werte und seiner Zukunft ist“. Eine Warnung, die man ernst nehmen sollte.