© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/22 / 10. Juni 2022

Hetzportal „Indymedia“ ist verfassungsfeindlich
Verfassungsschutzbericht: Radikalisierung bei Linksextremen / „Rechtsextremismus weiterhin größte extremistische Bedrohung für Demokratie“
Jörg Kürschner

Trotz der ihm vom Gericht auferlegten Zurückhaltung in Sachen AfD konnte sich Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang eine Drohung gegenüber den Mitgliedern der rechtskonservativen Partei nicht verkneifen. „In einer Woche werden wir weitere Gelegenheit haben, die Entwicklung dieser Partei weiter unter die Lupe zu nehmen“, gab sich Haldenwang überzeugt, der zusammen mit seiner Dienstherrin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), den Verfassungsschutzbericht 2021 vorstellte. Ende nächster Woche wählt die AfD auf ihrem Bundesparteitag im sächsischen Riesa eine neue Führung. 

Haldenwangs Behörde führt die gesamte AfD inzwischen als extremistischen Verdachtsfall. Das Verwaltungsgericht Köln hatte diesen Schritt im Frühjahr bestätigt. Gegen die drei Urteile legte die Partei inzwischen Berufung ein. Ob im Bericht für das laufende Jahr die Zahl der potentiellen Rechtsextremisten um rund 30.000 AfD-Mitglieder steigen werde, wurde er in der Bundespressekonferenz gefragt. Man müsse differenzieren, da es sich um eine Partei handele, „die sich noch sucht“.

„Delegitimierung des Staats“ als neu geschaffenes Phänomen

Wie erwartet sahen sich Haldenwang und Faeser in ihrer Auffassung bestätigt, „daß der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Demokratie in Deutschland“ darstelle. Obwohl die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straf- und Gewalttaten im Vergleich zu 2020 um 9,6 Prozent auf 20.200 zurückgegangen sei, wie die Ministerin einräumte, aber hinzufügte „immer noch sehr viele“. 33.900 Menschen werden als mögliche Rechtsextremisten eingestuft. Zum Vergleich: Die Zahl möglicher Linksextremisten beziffern die Behörden auf 34.700 Menschen, also höher als beim Rechtsextremismus.  Mit 9.600 ist die Zahl linksextremistischer Straftaten deutlich geringer als der Wert beim Rechtsextremismus. Potentiell gewaltbereit? 13.500 Rechts-, 10.300 Linksextremisten. Bei letzteren befürchten die Verfassungsschützer eine „Radikalisierungsspirale, die im schlimmsten Fall auch eine Entwicklung zu terroristischen Strukturen als möglich erscheinen läßt“. Linksextreme nutzen die Internetplattform „Indymedia“ als Propagandamedium. Diese wurde vom Verfassungsschutz erstmals als „gesichert linksextremistische Bestrebung“ eingestuft. Die große Zahl von linksextremistischen Beiträgen, regelmäßige Selbstbezichtigungsschreiben und der Aufruf zu weiteren Taten ließen „eindeutig eine verfassungsfeindliche Linie erkennen“, begründete Haldenwang die neue Bewertung.

Schwierigkeiten bereiten dem Inlandsgeheimdienst die Zuordnung der Gegner von Corona-Maßnahmen. In Ostdeutschland hätten oft Rechtsextreme das Sagen, wie beispielsweise die Regionalpartei „Freie Sachsen“, in Süddeutschland seien es viele Esoteriker, die mit völkischem Denken wenig zu tun hätten, sagte Haldenwang. Für die mitunter gewaltsamen Proteste gegen die Corona-Maßnahmen wurde in der Kölner Behörde die Kategorie „Delegitimierung des Staates“ geschaffen. Den Akteuren gehe es darum, demokratische Institutionen verächtlich zu machen und ihnen die Legitimität abzusprechen. Faeser sprach von einer „diffusen Staatsfeindlichkeit“.

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