© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/22 / 10. Juni 2022

Deutlich profitabler
Deutsche Bank: Razzia in Frankfurt und „freiwilliger“ Abgang bei der Vermögensverwaltungstochter DWS im Morgengrauen
Martin Krüger

Jahrzehntelang war die 1956 von Privatbanken in Hamburg gegründete Deutsche Gesellschaft für Wertpapiersparen (DWS) eine solide Adresse. Das Vermögen war sicher und die Ergebnisse der aktiv gemanagten Investmentfonds meist solide, und das auch nach 2004, als die Deutsche Bank die DWS vollständig übernahm. Der DWS-Börsengang 2018 ging reibungslos über die Bühne. Im März 2022 wurde ein Vermögen von 902 Milliarden Euro verwaltet. Doch die woke Erbengeneration in westlichen Industrieländern will nicht nur eine ordentliche Rendite einstreichen, sondern zunehmend ihr „grünes Gewissen“ beruhigen – doch beides paßt kaum zusammen.

Der mit zehn Billionen Dollar Anlagevermögen größte Branchenvertreter Blackrock setzt auch auf diesen Trend: „Von Januar bis November 2020 investierten Anleger in Investmentfonds und ETFs weltweit 288 Milliarden Dollar in nachhaltige Anlagen – das ist eine Steigerung von 96 Prozent im Vergleich zu 2019“, schrieb Firmenchef Larry Fink 2021 in seinem „Letter to CEOs“. Das Klimarisiko sei ein Investitionsrisiko, aber der Klimawandel biete auch „eine historische Anlagechance“. Der Übergang zu „Netto-Null-Emissionen“ sei komplex und schwierig, aber er sei „sehr optimistisch, was die Zukunft des Kapitalismus und die zukünftige Gesundheit der Wirtschaft angeht – nicht trotz der Energiewende, sondern wegen ihr“, so der 69jährige Großspender der US-Demokraten (JF 7/22).

„Nachhaltigkeit nur bei einer Minderheit der Investments“?

Die DWS warb daher nicht nur mit „mehr Diversität und Inklusion“, 74 Fonds wurden auch unter dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ angepriesen. Doch solider sind eher konventionelle Aktien, Anleihen und Immobilien. Daher durchsuchten vorige Woche Dutzende Beamte die Frankfurter Büros von DWS und Deutscher Bank. Anlaß der Razzia waren „tatsächliche Anhaltspunkte“ für angebliches „Greenwashing“. Anders als in den DWS-Verkaufsprospekten behauptet, seien „Nachhaltigkeitsfaktoren nur in einer Minderheit der Investments tatsächlich berücksichtigt worden“. Und im Gegensatz zur Wirecard-Pleite, wo gutgläubige Anleger tatsächlich Milliarden Euro verloren, reagierten Staatsanwaltschaft und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nun energisch, obwohl die Anleger eigentlich kein Geld in den Sand gesetzt haben.

Geschäftsführer Asoka Wöhrmann, der seine Karriere 1998 als Portfoliomanager bei der DWS begann und drei Jahre lang das deutsche Privatkundengeschäft der Deutschen Bank leitete, wurde in einer Nachtsitzung zum sofortigen Rückzug gedrängt. „Heute ist die DWS nach den drei erfolgreichsten Jahren in der Geschichte der Firma deutlich profitabler und stabil aufgestellt“, erklärte der 57jährige Volkswirt verbittert zum Abschied. Aber die Vorwürfe, „die in den vergangenen Monaten gegen die DWS und mich persönlich erhoben wurden“, seien „eine Belastung für das Unternehmen und auch für meine Familie und mich persönlich geworden“. Daher wolle er „den Weg für einen personellen Neuanfang frei machen“.

Sein Nachfolger ist Stefan Hoops, der seit 2019 die Unternehmenssparte der Deutschen Bank führte. Die Vermögensverwaltung war bislang kein Steckenpferd des 42jährigen, dafür soll er aber ein Vertrauter von Christian Sewing, dem Konzernchef der Deutschen Bank sein. Seit 2003 arbeitete Hoops im Wertpapiervertrieb, fünf Jahre später wechselte er zum Kredithandel der Deutschen Bank in die USA. „Und in New York erinnern sich Kollegen, daß Hoops der erste war, der mit Trevor Freeland einen schwarzen Mitarbeiter zum Managing Director befördert hat“, berichtete das Handelsblatt. Und seine jahrelange Erfahrung in God’s Own Country könnte Hoops nun zugute kommen.

Denn es war eine Amerikanerin, die der DWS diesen Ärger einbrachte. Im September 2020 stellte der gutgläubige Wöhrmann die einige Jahre jüngere Desiree Fixler ein, die nach zwei Jahrzehnten im US-Finanzbusiness – unter anderem bei JP Morgan und zuletzt der „grünen“ Zais Group – eigentlich schon am Ende ihrer Karriereleiter angekommen war. Als „Group Sustainability Officer“ war sie nun zuständig für das DWS-Versprechen „Nachhaltigkeit“. Doch wer Anlagen unter dem Slogan „ESG“ (Environment, Social, Governance) verkauft, macht sich angreifbar, denn die Ziele von Umwelt, Sozialem und nachhaltiger Unternehmensführung müssen belegt werden. Bei klassischen Finanzinformationen gibt es wenig Interpretationsspielraum – die ESG-Kriterien sind eher Auslegungssache.

Fixler sah das offenbar zu streng – sie überstand ihre Probezeit nicht und wurde im März 2021 geschaßt, kurz vor Veröffentlichung des DWS-Jahresberichts 2020. Sie klagte gegen ihre Entlassung, aber das Arbeitsgericht Frankfurt gab ihrem Kurzzeitarbeitgeber DWS recht. Doch damit war das Problem keineswegs erledigt: Im August 2021 ging die geschaßte New Yorkerin mit ihren „Greenwashing“-Vorwürfen im Wall Street Journal an die Öffentlichkeit – und die US-Börsenaufsicht SEC und das Justizministerium begannen sofort zu ermitteln.

Und ein ESG-Verstoß kann in den USA sehr teuer werden. In Deutschland haben die Ermittlungen zum möglichen „Prospektbetrug“ länger gedauert. Auch auf DWS-Aufsichtsratschef Karl von Rohr, zugleich Stellvertreter von Bank-Chef Sewing ist, könnte noch viel Ärger zukommen. Trotz aller Sanierungserfolge werden sich beide Topmanager unangenehme Fragen zur „Compliance“ (Regelkonformität) gefallen lassen müssen. Schon im DWS-Geschäftsbericht 2021 wurde das ESG-Anlagevermögen zwar vorsorglich von 459 auf 115 Milliarden Euro runtergerechnet – doch das dürfte die staatlichen Ermittler kaum besänftigen. Und es droht der Verlust des für Banken höchsten Gutes: ihrer Glaubwürdigkeit.

Auch konkurrierende Anbieter werden künftig genauer untersucht

Und neben aufsichts- und strafrechtlichen Prozessen könnten auch Zivilklagen anhängig werden, denn bei der DWS und der Deutschen Bank ist – anders als bei Wirecard – potentiell viel zu „holen“. Die ESG-Affäre dürfte zwar nicht so teuer werden wie die Abgas-Schummelei bei VW – „Dieselgate“ kostete den Aurokonzern zwischen 2016 und 2021 über 30 Milliarden Euro –, doch auch in anderen Finanzanlage-Bereichen wird nun viel genauer hingeschaut. Auch konkurrierende Anbieter, die mit ESG auf Kundenfang gehen, werden jetzt genauer unter die Lupe genommen.

Das treibt die Fonds-Kosten nach oben, die Profitabilität sinkt – und das in einem ohnehin angespannten Aktienmarkt. Das ist doppelt ärgerlich, da viele Anleger gerade mit viel Werbeaufwand aus den passiven ETF-Produkten in die aktiv verwalteten und teureren „Nachhaltigkeitsfonds“ gelockt wurden. Und besonders bitter: Wer im Frühjahr 2020 sein Portfolio mit billigen Aktien des „fossilen“ US-Ölkonzerns Chevron aufgefüllt hat, kann sich heute über eine Verdreifachung seiner Investition freuen. Blackrock mit seinem „grünen“ Chef Larry Fink ist übrigens mit 4,49 Prozent weiter der viertgrößte Chevron-Anteilseigner.

DWS-Quartalsberichte: group.dws.com