© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/22 / 10. Juni 2022

50 Jahre Mitgliederbefragungen in der EKD
Kirche der Distanzierten
(dg)

Vor fünfzig Jahren starteten die ersten repräsentativen Mitgliederbefragungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Mittlerweile ist die sechste solcher sogenannten „Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen“ in Arbeit. Aus diesem Anlaß zieht der habilitierte Theologe und Soziologe Gerhard Wegner, von 2004 bis 2020 Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, eine Bilanz der fundamentalen Veränderungen in der Beziehung zwischen der Kirche und ihren Mitgliedern. Die Stabilität der Institution wurde schon in der Nach-Achtundsechzigerer-Ära in der Masse nicht durch Kirchenmitglieder, die ihre Mitgliedschaft bewußt und aktiv teilnehmend betrieben, gesichert. Sondern ganz im Gegenteil durch jene, die sich am alltäglichen Kirchenleben gerade nicht beteiligen. Dabei ging und gehe es um die breite Mehrheit, die eigentlich den offiziellen Anforderungen des „Systems Kirche“ gar nicht entsprachen. Diese Mitglieder fühlten sich bis heute verbunden, würden aber keine Verbindung praktizieren: „Viele sind in der Kirche, weil Kirche nach wie vor zuständig ist für Christentum und Religion. Aber darüber hinaus wissen sie nicht viel zu sagen.“ Als eigentliche Stabilitätsanker in dieser „Kirche der Distanzierten“ fungierte daher nicht der Glaube, sondern „anlaßbezogene Rituale“: Taufen, Trauungen, Beerdigung – und Konfirmationen. Nur hier komme es noch zu sinnfälliger Verknüpfung von lebensgeschichtlichen und sozialen Bedürfnissen. Diese „Angebote“ seien „sehr viel attraktiver“ als der Sonntagsgottesdienst und beschrieben faktisch die größte Gemeinsamkeit aller Evangelischen (zeitzeichen 5/2022). 


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