© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/22 / 10. Juni 2022

Apollo bringt Licht
Berlinwahl: Recherche eines jungen Autorenteams zeigt Notwendigkeit von Neuwahlen
Eric Steinberg

Lange Warteschlangen, fehlende und sogar falsche Stimmzettel: Für die Verantwortlichen der Landeswahlleitung war die Berlin-Wahl ein Desaster. So weit, so bekannt. Die Zweifel an der Gültigkeit haben sich bestätigt, wie ein zehnköpfiges Rechercheteam von „Apollo News“ in Kooperation mit Tichys Einblick herausfand. Nach der Durchsicht von 40.000 Dokumenten können die Journalisten sagen: Es gab mandatsrelevante Wahlfehler.

„Die Mandatsrelevanz liegt berlinweit dann vor, wenn die systematischen Wahlfehler theoretisch eine Veränderung des Zweitstimmenergebnisses zum Berliner Abgeordnetenhaus hätten ergeben können, so daß sich am Ende die Sitzverteilung des Parlamentes dadurch ändern könnte“, schreibt der 20jährige Hauptautor Max Mannhart, der auch schon unter dem Pseudonym Air Türkis für den Blog „Achse des Guten“ oder die Hayek-Gesellschaft geschrieben hat (JF 32/19). Während von offizieller Seite stets dementiert wurde, daß die Vorkommnisse an den Urnen Auswirkungen auf die Mandatsverteilung gehabt haben könnten, beweist die Recherche nun das Gegenteil. Ein Problem, das laut „Apollo News“ sogar die Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichtshofs, Ludgera Selting, auf den Plan rief. Sie besuchte persönlich die Recherchen im Gerichtsgebäude und soll die Jungautoren eingeschüchtert haben, wie Mannhart und der 17jährige Jerome May, die sich als klassisch liberal verstehen, schreiben.

Brisant: Verteilt werden die 147 Sitze des Abgeordnetenhauses nach dem prozentualen Stimmenverhältnis.  Da in dieser Frage aber auch die Nachkommastellen eine Rolle spielen und keine halben Sitze vergeben werden können, wird aufgerundet. Die übrigen Sitze – bei der Senatswahl 2021 waren das drei – werden an die Parteien mit der höchstens Nachkommastelle vergeben. Dabei ging ein Sitz an die SPD (35,94 Sitze), einer an die Grünen (31,70 Sitze) und der dritte an die Linkspartei (23,60 Sitze). Dahinter lag die AfD mit 13,43 theoretischen Sitzen. Die 16- bis 26jährigen Jungjournalisten des Apollo-Teams errechneten nun, wie viele Stimmen einer Partei zum zusätzlichen Mandat gefehlt hätten, und kamen dabei auf die Zahl 1.746. 

Die Recherche weist weiter aus, daß Berlin allein 1.969 Zweitstimmen anerkannt hat, die auf falschen Wahlzetteln abgegeben wurden und deswegen als ungültig hätten gelten müssen. Der ehemalige Berliner Abgeordnete Marcel Luthe reichte Klage wegen Wahlfälschung ein. Die Berliner Senatsverwaltung berief sich zur Rechtfertigung auf ein zwölf Jahre altes Urteil zu einer Personalratswahl und erklärte die Stimmen für zählbar. Weiter wurden 1.297 Wahlzettel für die Zweitstimmen nicht an die Wahlberechtigten ausgegeben. Die zurückgetretene Wahlleiterin Petra Michaelis bestätigte die Zahl. Wegen weiteren Verstößen, zum Beispiel gegen die Maskenpflicht, seien weitere 170 Wahlberechtigte am Lokal abgewiesen worden. 15 zusätzliche Wahlzettel verlieren ihre Gültigkeit, weil sie an Minderjährige oder EU-Ausländer vergeben worden seien. Das Ergebnis der Nachforschungen zeigt klar: Die magische Zahl 1.746 wäre allein durch die Ungültigkeit der auf falschen Wahlzetteln abgegebenen Stimmen übertroffen worden und die Mandatsrelevanz liegt somit vor. Sechs Bezirke wären von einer Neuwahl betroffen. Die Sache liegt jetzt beim Berliner Verfassungsgerichtshof. Aufgrund des Versagens forderte vor zwei Wochen auch Bundeswahlleiter Georg Thiel eine erneute Durchführung der Wahlen zum Bundestag und zum Abgeordnetenhaus in den genannten Bezirken. Gegenüber der Berliner Zeitung sprach er von „Schwere, Vielzahl und die Nichtnachweisbarkeit“ von Wahlfehlern, die zu seinem Urteil geführt hätten. 


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