© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/22 / 10. Juni 2022

Menschenrechte im Islam nicht mehr unter Vorbehalt
Revision der Kairoer Erklärung
(dg)

Die in westlichen Gesellschaften verbreitete Behauptung, Islam und Menschenrechte könnten niemals zusammenfinden, werde der komplexen Wirklichkeit und vor allem den „zahllosen engagierten Menschen“ in islamischen Staaten nicht gerecht. Der an der Universität Erlangen-Nürnberg lehrende Sozialwissenschaftler Heiner Bielefeldt, bis 2016 UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfragen, verweist zur Bekräftigung dieser These auf die vielen Männer und Frauen, die sich zwischen Marokko und Indonesien unter Inkaufnahme hoher Risiken aktiv für Gleichberechtigung, Religions- und Meinungsfreiheit einsetzen (Welt-Sichten, 4/5-2022). So bringe etwa das Netzwerk Musawa muslimische Frauen aus aller Welt zusammen, die sich für eine liberale Neuinterpretation des Scharia-Familienrechts stark machen. Die wichtigste Annäherung an die westliche Menschenrechtsideologie habe sich jedoch 2020 mit der Überarbeitung der „Kairoer Erklärung“ von 1990 vollzogen, die etwa keine Gleichberechtigung der Frau kannte. Der revidierte Text verspreche nun mit Blick auf das Geschlechterverhältnis von Männern und Frauen die „gleiche Menschenwürde“. Ein Hinweis auf staatliche Gesetze lasse in solchen Regimen aber eine Hintertür offen, die die Gleichberechtigung der Geschlechter negieren. 


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