© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/22 / 10. Juni 2022

Der Flaneur
Medien über alles
René Langner

Samstag vormittag. Gut gelaunt sitze ich am Frühstückstisch. Ich verkünde meinen Kindern, daß heute endlich wieder ein Familientag ansteht. Meine Vorschläge reichen von einem Ausflug in den Tierpark bis hin zu einem gemeinsamen Picknick am nahe gelegenen See. Begeisterung scheint sich bei meinen vorpubertären Kindern nicht wirklich einzustellen. „Mein Kumpel kommt vorbei“, teilt mein Sohn mit. „Ich habe Lea zu Besuch“, gibt mir meine Tochter zu verstehen. „Wunderbar“, entgegne ich, „die können natürlich mitkommen.“

Die Blicke meiner Kinder verraten mehr als deutlich, daß kein wirkliches Interesse besteht. Auch wenn ich etwas enttäuscht bin, verstehe ich natürlich, daß Freunde vorgehen und gebe mich geschlagen. 

Etwa zwei Stunden später weicht mein Verständnis jedoch einer gewissen Ernüchterung. Zombieähnlich sitzen die Jungs vor dem Computer und bemerken nicht einmal, daß ich das Zimmer betrete. Gleiches gilt für die Mädchen, die wie gebannt auf ihre Handys starren.

Entsetzte Blicke, betretenes Schweigen. Man könnte meinen, die Welt sei untergegangen. 

Ich ziehe mich zurück und denke nach. Natürlich, das Internet und die sozialen Netzwerke haben uns viele Vorteile beschert. Aber auch die Kehrseite ist nicht zu übersehen: Für ein paar Klicks und Likes lassen wir oftmals alles stehen und liegen. Statt den Moment zu genießen, stellen wir ihn lieber online und merken dabei nicht, daß wir ihn dadurch aus den Augen verlieren. 

Angetrieben von diesen Gedanken begebe ich mich zur WLAN-Box und schalte einfach ab. Es dauert keine zwei Minuten und die Kinder eilen herbei. Entsetzte Blicke, betretenes Schweigen. Man könnte meinen, die Welt sei untergegangen. Nur schwer kann ich mein Lachen verbergen. 

„Was ist los?“ frage ich nach. „Das Internet ist tot“, kommt als Antwort. „Vermutlich nur eine vorübergehende Störung“, stelle ich fest. Nun meldet sich auch meine Frau zu Wort: „Wer hat Lust auf Picknick am See?“

Eine halbe Stunde später sind wir auf dem Weg. Natürlich ohne Handy – dafür aber gut versorgt mit Knabbereien und kühlen Getränken. Für mich folgen ein paar unbeschwerte Stunden. Was für meine Kinder hoffentlich bleibt, ist die Erkenntnis, daß es oft die scheinbar kleinen Dinge sind, die das Leben lebenswert machen.