© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/22 / 17. Juni 2022

Bäume, die nicht in den Himmel wachsen
Landrats- und Bürgermeisterwahlen: In den Kommunen ihrer Hochburg Sachsen bleibt die AfD hinter der CDU zurück / Erfolge für Parteilose
Paul Leonhard

Die meisten Bürgermeisterkandidaten – egal ob schon amtierend oder Neuling – setzten bei den Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag in Sachsen auf die eigene Persönlichkeit und höchstens noch auf eine unterstützende Wählervereinigung, aber nicht auf eine Partei. Selbst wer wie der bisherige Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) ein Parteibuch besitzt, ließ es wohlweislich in der Schreibtischschublade liegen. Parteien sind in den Dörfern und Kleinstädten nicht mehr gefragt. Und es ist sogar vorgekommen, daß die Bürger jemanden auf den Stimmzetteln notierten, der sich gar nicht zur Wahl gestellt hatte und sich nun überlegen muß, ob er seine Wahl annimmt. In der deutsch-sorbischen Stadt Bautzen verlor der CDU-Amtsinhaber überraschend gegen einen Herausforderer von der SPD.

Anders dagegen der Fall bei den Landratswahlen, die ebenfalls am vergangenen Sonntag stattfanden. Hier würdigten die Wähler die Mitgliedschaft in der CDU, deren Kandidaten in der ersten Runde fast überall am erfolgreichsten abschnitten. In den Landkreisen Nordsachsen, Leipzig und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gewannen die Amtsinhaber bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Die AfD hat keinen ihrer acht Kandidaten durchbringen können. Chancen hat sie noch im Landkreis Görlitz, wo ihr Landtagsabgeordneter Sebastian Wippel (JF 24/22) mit 35,5 Prozent immerhin den Anschluß an CDU-Spitzenkandidat Stephan Meyer (46,3) hielt, der ebenfalls im Landtag sitzt, aber auch in Bautzen, wo der Abstand von AfD-Kandidat Frank Peschel (knapp 29 Prozent) zu Amtsinhaber Udo Witschas (CDU) rund zehn Prozent beträgt.

„Die blaue Laterne leuchtet nicht mehr so stark“

In Bautzen erreichte Udo Witschas von der CDU nach Angaben des Landeswahlleiters bislang knapp 39 Prozent vor Frank Peschel von der AfD mit knapp 29 Prozent. In Mittelsachsen liegt AfD-Kandidat Rolf Weigand fast gleichauf mit einem von der CDU, aber zehn Prozentpunkte hinter einem Einzelkandidaten.

Ein Erfolg bei den Oberbürgermeisterwahlen in der Landeshauptstadt Dresden ist für die AfD nur noch theoretisch und mit viel Glück denkbar. Kandidat Maximilian Krah landete mit rund 14 Prozent auf Platz 4, sogar hinter den Kandidaten von Grünen und SPD. Das sei natürlich nicht das, „wofür wir gekämpft haben“, gab sich der Europaabgeordnete noch am Wahlabend enttäuscht. Aufgeben wolle er dennoch nicht, jetzt komme es auf die Mobilisierung am 10. Juli an. Im zweiten Wahlgang will der bisherige SPD-Kandidat die Grünen-Bewerberin unterstützen, ein Schritt, den nicht alle SPD-Sympathisanten mitgehen dürften. Die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer ist in der Landeshauptstadt personell so schwach, daß sie nicht einmal einen eigenen Kandidaten aufzustellen vermochte, den amtierenden OB aber sogar mit einem Wahlkampfauftritt des bei den Dresdnern beliebten Friedrich Merz zu unterstützen versuchte. Viel geholfen hat es Hilbert nicht, er verfehlte mit 32,5 Prozent eine Mehrheit im ersten Wahlgang recht deutlich.

In Freital wurde dagegen Amtsinhaber Uwe Rumberg schon im ersten Anlauf auf seinem Posten bestätigt. Der 63jährige erhielt 60,8 Prozent der Stimmen und damit deutlich mehr als der Zweitplazierte Lars Tschirner von den Bürgern für Freital (25,1 Prozent). Rumberg war im Sommer 2020 öffentlichkeitswirksam mit acht weiteren Lokalpolitikern aus der CDU ausgetreten, hatte die Partei scharf kritisiert und trat nun als Kandidat für die Konservative Mitte e. V. zur Oberbürgermeisterwahl an. Anfang 2022 rief er auf einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen zum Dialog auf, woraufhin sich auch die Freien Sachsen für ihn als OB-Kandidaten aussprachen. Die CDU hingegen unterstützte gemeinsam mit der Linkspartei und den Grünen den parteilosen Kandidaten Steffen Lehmann. Dieser landete mit 11,9 Prozent abgeschlagen auf Platz 3.

Im Landkreis Görlitz frohlockte unterdessen CDU-Mann Meyer, für dessen Wahl sich auch Bündnisgrüne und Freie Wähler ausgesprochen hatten: „Die blaue Laterne, die wir in den vergangenen Wahlen so oft hatten, leuchtet nicht mehr so stark.“