© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/22 / 17. Juni 2022

Ländersache: Rheinland-Pfalz
Flüssige Grüße von oben
Christian Schreiber

Wenn Flugzeuge vor einer außerplanmäßigen Landung „Gewicht machen“ müssen, lassen sie Kerosin ab. Das kommt in keinem Bundesland häufiger vor als in Rheinland-Pfalz. Diese Tatsache hat unlängst im Mainzer Landtag zu einer hitzigen Debatte geführt. Erst kürzlich ließ ein Pilot 30 Tonnen Treibstoff über dem südlichen Teil des Landes ab. Zuviel, fand Joachim Streit, Fraktionschef der Freien Wähler im Landtag und setzte den Punkt auf die Tagesordnung. „Der erneute Fall zeigt, wie dringend es ist, weitere Meßstellen einzurichten, um der Bevölkerung die nachweisbare Sicherheit zu geben, daß ein solcher Kerosinablaß für Mensch und Natur unbedenklich ist“, forderte Streit. 

Von dem in Fachkreisen als „Fuel Dumping“ bezeichneten Vorgehen ist Rheinland-Pfalz „überproportional häufig“ betroffen, bestätigte das Umweltministerium in Mainz. Im vergangenen Jahr entfielen von insgesamt 25 Treibstoffablässen acht auf Rheinland-Pfalz. Das hat Gründe. Der Flughafen im hessischen Frankfurt ist eines der größten internationalen Drehkreuze in Europa. Nur 120 Kilometer entfernt liegt Hahn im Hunsrück, von wo aus die Billiglinie Ryanair ihre Ferien-Flieger startet. 

Alles begründe sich aus der geographischen Nähe zu Frankfurt, erläutert die Sprecherin der Deutschen Flugsicherung, Kristina Kelek: „Denn die großen Maschinen, die überhaupt für einen Treibstoffschnellablaß in Frage kommen, könnten dort starten und landen. Die fliegen nicht von Memmingen oder Erfurt ab, sondern von den großen Drehkreuzen.“ Daß Kerosin bei außerplanmäßigen Landungen abgelassen werden müsse, um das Gewicht der Maschine zu verringern, stimme nicht, kontert die Bürgerinitiative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltverschmutzung: „Die meisten Flugzeugtypen können durchaus mit Überlast landen.“ Das habe aber zur Folge, daß die Maschinen aufwendiger durchgecheckt werden müßten und erst mal nicht zur Verfügung stünden. Die wirtschaftlichen Folgen seien daher wesentlich höher als die Kosten für den versprühten Treibstoff. Ähnlich sieht es auch Freie-Wähler-Chef Streit. Er fordert von der Ampel-Koalition, daß Kerosinablaß verboten oder mit Gebühren belegt wird. Flugzeuge könnten auch voll beladen landen, das koste die Fluggesellschaften eben nur mehr Geld.

Die Grünen, die das Mainzer Umweltministerium führen, sprechen von einer Phantomdebatte, die wahren Umweltprobleme lägen ganz woanders. Dem seit 2017 mehrfach wissenschaftlich belegten Kenntnisstand zufolge gebe es keine gesundheitliche Gefahr der Bevölkerung durch Kerosinablässe, meinte der Abgeordnete Andreas Hartenfels. Ganz anders sei die Belastung dagegen wegen des Verkehrs für die Menschen in Großstädten. Hartenfels warnte auch vor noch mehr Druck auf die Piloten: „Kerosinablaß ist immer eine Notlage und kommt nur im Promillebereich vor.“ Unterstützung erhalten die Grünen vom Umweltbundesamt. „Nach derzeitigem Wissensstand gibt es keine kritischen Umweltauswirkungen von Treibstoffschnellablässen auf Boden, Grundwasser, Luft und menschliche Gesundheit.“