© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/22 / 17. Juni 2022

„Probleme sind hausgemacht“
Asyl: Geduldete sollen dauerhaft bleiben können, dafür verspricht die Regierung mehr Abschiebungen / Zweifel sind angebracht
Peter Möller

Die Einwanderung nach Deutschland zu fördern und die Einbürgerung von Ausländern zu erleichtern sind das erklärte Ziel der Ampel-Koalition. Dazu gehört auch, Menschen, deren Asylantrag in Deutschland abgelehnt wurde, deren Aufenthalt aber von den Behörden aus unterschiedlichen Gründen weiterhin geduldet wird, ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren.

In der vergangenen Woche hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nun den Entwurf für ein „Chancen-Aufenthaltsrecht“ vorgestellt (JF 24/22). Damit soll mehr als 100.000 abgelehnten Asylbewerbern, die seit fünf Jahren oder länger in Deutschland lediglich geduldet werden, die Möglichkeit gegeben werden, einen dauerhaften Aufenthaltsstatus zu erhalten. Künftig sollen diese Personen dann nicht mehr von Kettenduldungen und jederzeit möglichen Abschiebungen betroffen sein. „Die Lebensplanung für langjährig in Deutschland aufhältige Menschen soll verläßlicher werden, wenn diese bestimmte Integrationsvoraussetzungen erfüllen“, heißt es dazu laut Spiegel in dem Gesetzentwurf.

Die von der neuen Regelung betroffenen Personen sollen den Plänen zufolge zunächst einmalig auf Probe eine einjährige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Innerhalb dieser Frist müssen sie dann nachweisen, daß sie die deutsche Sprache beherrschen und selbständig ihren Lebensunterhalt sichern können. Unter diesen Voraussetzungen sollen sie dann ein langfristiges Bleiberecht erhalten. Nicht in den Genuß dieser Regelung kommen sollen Straftäter sowie Ausländer, die falsche Angaben über ihre Identität gemacht und so ihre Abschiebung verhindert haben.

In der Ampel wie auch im Innenministerium dürfte den handelnden Akteuren klar sein, wie heikel das Vorhaben ist, abgelehnten Asylbewerbern, die eigentlich das Land längst hätten verlassen müssen und die es allein der seit Jahren laxen Abschiebepraxis verdanken, daß sie sich überhaupt noch in Deutschland befinden, nun auch noch ein dauerhaftes Bleiberecht einzuräumen und sie damit quasi zu belohnen.

Vermutlich um es der Opposition mit ihrer Kritik an den weitreichenden Plänen nicht zu leicht zu machen, hat Innenministerin Faeser zeitgleich einen schärferen Kurs bei den Abschiebungen angekündigt. „Insbesondere die Ausreise von Straftätern und Gefährdern muß konsequenter vollzogen werden“, heißt es dazu in dem Gesetzentwurf. Dafür sollen unter anderem die Regeln zur Abschiebungshaft verschärft werden, die in der Vergangenheit vor allem von den Grünen, aber auch von SPD-Politikern immer wieder bekämpft wurden. Schon in ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel eine „Rückführungsoffensive“ insbesondere inbezug auf Straftäter und Gefährder in Aussicht gestellt.

Im Schnitt scheitert jede zweite Abschiebung

Doch nicht nur ein Blick auf die zahlreichen von Faesers Amtsvorgänger, Horst Seehofer (CSU), angekündigten Abschiebeoffensiven, die allesamt mehr oder weniger wirkungslos verpufft sind, läßt Zweifel daran aufkommen, daß es ausgerechnet unter der „flüchtlingsfreundlichen“ Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP anders kommt. Seit Jahren wird nur ein Bruchteil der aus Deutschland ausreisepflichtigen Personen tatsächlich abgeschoben, im vergangenen Jahr waren es knapp 12.000. Im Schnitt scheitert in Deutschland jede zweite geplante Abschiebung, am häufigsten daran, daß die betreffenden Personen untertauchen oder krank sind. 

Immer wieder leisten ausreisepflichtige Ausländer aber auch Widerstand bei der Abschiebung, etwa am Flughafen oder im Flugzeug, und erzwingen so ihren weiteren Aufenthalt in Deutschland.

An den grundlegenden Problemen, die in Deutschland einer größeren Zahl an Abschiebungen entgegenstehen, ändert sich durch die neuerliche Ankündigung der Politik, nun konsequenter durchgreifen zu wollen, vermutlich nichts. Dazu wären tiefgreifendere Schritte notwendig. Bereits vor zwei Jahren hat etwa die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) analysiert, warum viele Abschiebungen in Deutschland scheitern. 

Das Ergebnis: Nicht allein die Ausländer, die das Land verlassen müssen, sind verantwortlich, sondern vor allem Versäumnisse der Politik. „Politiker lasten die Schuld an dieser Situation oft vorschnell und einseitig den nicht ausreisenden Migranten oder ihren Herkunftsländern an, doch viele Probleme sind in Deutschland hausgemacht“, sagte Victoria Rietig von der DGAP. 

So erweisen sich immer wieder komplizierte föderale Zuständigkeiten als hinderlich. Zwar gebe die Bundesregierung die Leitlinien vor, für die Umsetzung zuständig seien aber die Länder – und dort jeweils ganz unterschiedliche Behörden. „Angesichts der Vielzahl der involvierten Akteure sind die Prozesse und die Abstimmung der Rückkehrpolitik untereinander kompliziert und oft langwierig“, kritisieren die Autoren der Studie. Ihrer Ansicht nach müßten die Zuständigkeiten stärker gebündelt sowie bessere Daten zu Abschiebungen und freiwilliger Rückkehr erhoben werden.

Daß aber ausgerechnet der Ampel-Koalition und Bundesinnenministerin Faeser eine derartige Strukturreform gelingen wird, um die Abschiebungen aus Deutschland effizienter zu machen, erscheint angesichts der zahlreichen engen Verbindungen der Grünen, aber auch der SPD, mit Flüchtlingsorganisationen wie beispielsweise Pro Asyl mehr als zweifelhaft.

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Foto: Polizisten begleiten Afghanen, die per Flugzeug aus Deutschland abgeschoben werden: Zuständigkeiten stärker bündeln